Liebe Listenleser,
"damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei; damit unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig auch tugendhafter und glücklicher werden, und damit wir nicht sterben, ohne uns um die Menschheit verdient gemacht zu haben" (Zitat aus der Satzung, Denis Diderot zugeschrieben).
Wikimedia Deutschland hat seine Gemeinnützigkeit deswegen staatlich verliehen bekommen, weil er die "Chancengleichheit beim Zugang zu Wissen und Bildung fördert", in dem er "die Erstellung, Sammlung und Verbreitung freier Inhalte in selbstloser Tätigkeit fördert" (Zweck aus der Satzung). Das ist ein sehr konkreter Zweck, der über eine Vielzahl von Wegen erreicht werden kann. Dazu gehört seit Jahr und Tag die Unterstützung der Community in den Wikimedia-Projekten, besonders in der Wikipedia. Dazu gehört aber noch viel viel mehr, was nicht in den Wikimedia-Projekten stattfindet, sondern sich (aus Innensicht der Wikimedia-Projekte) nach außen wendet. Wikimedia Deutschland muss notwendigerweise alles gleichzeitig sein: Unterstützer der Community und "Fanclub" der Wikipedia, Aktivist für freie Lizenzen und Streiter für eine modernere Bildungspolitik, Entwickler zeitgemäßer Tools und vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Partner mit ähnlichen Zielen oder uns geneigten Möglichkeiten, und noch viel mehr.
Die Frage, welche dieser Tätigkeiten am besten auf ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Basis stattfinden, muss sich allein an objektiven Kritierien wie Effizienz und Effektivität messen lassen. Das letzte Jahrzehnt hat bewiesen, dass es nicht nur möglich ist, eine umfassende Enzyklopädie in vielen Sprachen auf rein ehrenamtlicher Ebene zu erstellen, sondern dass es im Zeitalter des Internets anders gar nicht nachhaltig geht. Das sollte aber nicht die Sicht darauf verschließen, dass diese Erfahrungen mitunter eben nicht zu verallgemeinern sind. Haupt- und ehrenamtliche Tätigkeit muss sich vielmehr gegenseitig komplementieren, und zwar ohne diese elenden Machtdiskussionen, wie sie immer wieder auftauchen, und ohne das eine schlecht zu machen oder das andere zu überhöhen.
Im Vordergrund der Arbeit des Vereins muss jederzeit stehen: wie können wir am effizientesten und am erfolgreichsten freies Wissen fördern. Geht das am besten mit ehrenamtlichen Engagement, dann muss darauf gesetzt werden, Freiwilligen aktiv die benötigte Unterstützung zu geben. Ist es am besten, wenn hauptamtliche Mitarbeiter ihre gesamte Arbeitszeit in eine Aufgabe stecken, dann müssen solche Mitarbeiter gesucht, eingestellt und gefördert werden. Ist es am besten, ein Projekt mit einem externen Partner aufzuziehen, dann suchen wir uns den und sorgen dafür, dass es passiert. Wenn wir nicht wissen, welcher Weg am besten ist, probieren wir es aus, bis die Ergebnisse klar werden. Das mag einigen zu pragmatisch sein, für mich ist das eine selbstverständliche Herangehensweise, die sich allein schon aus dem Gebot der wirtschaftlichen Verwendung unserer Mittel zwingend ergibt..
Die Karrikatur eines Vereins, wie sie Sebastian Wallroth nun Pavel und mir zuschreibt, hat es nie gegeben und war auch von niemanden gewollt. Sie entspricht auch nicht der Realität, wenn man sich die Pläne der vergagenen Jahre und die Entwicklung bspw. der Mitarbeiterzahlen ansieht. Ein reines Zahlenwachstum gab es nie, es ging immer darum, Ziele zu errreichen und die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen. Klar gab und gibt es Schwächen, was die Messbarkeit einiger Ziele angeht, was ja aktuell auch von der Wikimedia Foundation bemängelt wird. Das heißt halt, dass wir hier noch besser werden müssen.
Dem Verein sind mit Grabenkämpfen oder überhaupt mit einer Behauptung solcher tiefer Gräben zwischen Fraktionen in keinster Weise geholfen. Eine Polairisierung, wie sie nach meinem Empfinden in der Wikipedia viel zu sehr Überhand nimmt, brauchen wir in unserem Verein nicht. Dafür gibt es viel zu viel zu tun, und viel zu viele Leute, die sich auf den verschiedensten Weisen für freies Wissen engagieren wollen. Dieses entweder-oder-Gehabe, wie es in einigen Beiträgen der letzten Tage auftritt, ist daher so ermüdend wie irrgeleitet.
Ich für meinen Teil möchte einen starken, handlungsfähigen Verein, der seinen Satzungszweck mit allem Leben füllt, das möglich ist. Er soll ein Zuhause für jedermann sein, der sich für diesen Zweck engagiert, egal auf welche Weise und in welcher Form. Und er soll nie zufrieden sein mit dem, was erreicht wurde, sondern immer danach streben, freies Wissen auf noch besseren Wegen zu fördern.
Beste Grüße Sebastian Moleski