2011/10/28 Sebastian Moleski sebastian.moleski@wikimedia.de:
Hallo Martina,
On 26.10.2011 00:39, Martina Nolte wrote:
Die Diskussion über das Verhältnis Chapter-Foundation halte ich für extrem wichtig (auch vor März natürlich), damit wir weg kommen vom reinen Reagieren auf aktuelle Inputs aus den USA (wie ja auch beim gGmbH-Schnellschuss letztes Jahr, ebenfalls kurz vorm Fundraiser) und hin zu einer aktiven Planung und Positionierung in einem partnerschaftlichen Diskurs mit der Foundation. Die neue Budgetierung fand ich eigentlich sinnvoll/nachvollziehbar, aber die Umsetzung wirkt jetzt doch etwas undurchdacht. Solche Überlegungen und Klärungen des gegenseitigen Rollenverständnisses sollten m.E. frühzeitiger für das jeweils kommende Jahr aufgenommen werden.
Hier sollte man vielleicht bedenken, dass die jährlichen Änderungen in den Arrangements zum Fundraising immer von der Foundation ausgingen. Wenn es den Eindruck hat, dass wir reaktiv vorgehen, dann liegt das daran, dass die Foundation regelmäßig eher spät die Regeln geändert hat, und dabei auch eine gewisse Sprunghaftigkeit an den Tag legt. Der "Brief vom Kuratorium", der die Planungen für viele Chapter über den Haufen warf, kam im August, also etwa drei Monate bevor die Spendenkampagne eigentlich beginnen sollte. Du kannst dir sicher sein, dass Vorstand und Geschäftsführung alles Erdenkliche tun, um diese sich ständig ändernden Umstände sinnvoll für den Verein zu managen. Im Ergebnis waren wir dabei stets erfolgreich, auch wenn der Weg dahin sicher nicht immer perfekt verlief.
Dazu gehört übrigens auch der vielfach und deutlich geäußerte Wunsch (und inzwischen auch erhörte) unsererseits, eben nicht bis zuletzt zu warten, bevor sich die Foundation diesen Fragen stellt. Fakt ist aber, dass die Foundation auch keine homogene Organisation ist, in der alle einer Meinung sind, alle die gleichen Ziele haben und alle die gleiche Richtung bestreiten, genauso, wie das wohl in den meisten Organisationen der Fall sein dürfte. Wenn also beispielsweise das Kuratorium X sagt, kann das trotzdem heißen, dass seitens der Geschäftsführung Y kommt. Oder wenn sich ein Kuratoriumsmitglied mit Position A äußert, ist damit nicht ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter Position B einnimmt. Das sollte eigentlich gerade in der Wikimedia-Welt nicht überraschend sein. Dennoch verringert das beispielsweise die Verlässlichkeit für uns, wenn wir mit der Foundation zusammenarbeiten müssen.
Bevor das jetzt als Foundation-Bashing interpretiert wird, was so gar nicht gewollt ist, sollte man sich auch noch einmal in deren Perspektive versetzen. De facto hat sie die undankbare Aufgabe, inzwischen 37 regionalen Organisationen "hinterherzurennen", 37 Organisationen, von denen die allermeisten ausschließlich ehrenamtlich organisiert sind, 37 Organisationen, die oft tolle Ideen, viel Enthusiasmus, dafür wenig Geld und noch weniger praktische Erfahrung haben. Um das alles zu managen, versucht die Foundation so viel wie möglich zu verallgemeinern, also soweit es geht auf Sonderlösungen und Extrabehandlungen zu verzichten. Das kann natürlich, aus Sicht der Organisation, eigentlich nur Ärger bereiten. Aus Sicht der Foundation ist das aber schon aus Ressourcensicht gar nicht anders machbar. Und schon steht man vor dem Problem, Lösungen zum Beispiel fürs Fundraising zu schaffen, die möglichst für alle Organisationen gleichermaßen anwendbar sind. Das ist alles nachvollziehbar und, wenn man ehrlich ist, würden wir das doch, in deren Position versetzt, genauso machen. Alles andere skaliert einfach nicht, so unbefriedigend das auch ist.
Das Kuratorium hat inzwischen übrigens auch gesehen, dass Verlautbarungen drei Monate vor Kampagnenbeginn nicht das Gelbe vom Ei sind und deswegen bereits beschlossen, die Frage, wie Fundraising 2012 funktionieren wird, so schnell wie möglich zu beantworten, sodass hoffentlich spätestens Ende März klar sein wird, wie das Prozedere aussehen wird. Dazu gibt es auf Meta einige Seiten, auf denen auch schon rege dazu diskutiert wird. Basis dafür sind einige Grundsätze für das Sammeln und Verteilen von Spendengeldern, die nun gemeinsam mit den Chaptern erarbeitet werden sollen. Mitglieder des Vorstands beteiligen sich bereits daran, genauso wie es wohl auch die Mitglieder des zukünftigen Präsidiums tun werden. Wenn die richtigen Leute gewählt werden, ist es reichlich sicher, dass dabei ein Ergebnis herauskommen wird, dass für den Verein, für die deutsche Community und für die Foundation gut sein wird.
Als jemand, der beide Perspektiven kennt - die von Wikimedia Deutschland und die als Mitglied im Board der Wikimedia Foundation - kann ich den Ausführungen von Sebastian nur von ganzem Herzen zustimmen. Seit Jahren wird sich auf allen Seiten engagiert darum bemüht, solide Organisationsstrukturen für Wikimedia zu entwickeln. Für eine so dezentrale und heterogene Bewegung wie Wikimedia ist das kein ganz einfaches Unterfangen. Und auch unser enormes Wachstum macht die Sache nicht einfacher. Denn wenn wir glauben eine gute Lösung gefunden zu haben, ist diese durch neue Umstände oft schon wieder überholt. Diese Situation verlangt allen Beteiligten viel ab - Kraft, Ausdauer und vor allem Flexibilität. Wikimedia Deutschland ist in diesem Zusammenhang bisher sehr positiv aufgefallen und erweist damit sich selbst und ebenso der Wikimedia-Bewegung einen großen Dienst.
Viele Grüße Arne