Hallo Pavel,
aus Deiner Beschreibung der Geschäftsstellenstruktur geht nicht hervor, warum nicht auch zwei oder mehr Personen das Management gemeinsam übernehmen könnten.
Ich will jedoch auf einen anderen Aspekt Deiner Beschreibung eingehen: Dass die Mitarbeitenden auf ihrem Gebiet besser sind als das Management ergibt sich von selbst, wenn man immer die besten Leute sucht. Aufgabe des Managements ist es auch nicht, fachlich am besten zu sein, sondern den Leuten das Arbeiten zu ermöglichen.
Wenn das Management nicht die fachliche Führerschaft hat, dann steht den Mitarbeitenden offen, sich auf auf Stammtischen, Barcamps, Meetups, in Online-Foren oder auf Weiterbildungen fachlich auszutauschen und weiterzuentwickeln. Das zu fördern ist Aufgabe des Managements. Im Non-Profit-Bereich steht zudem eine weitere Austauschmöglichkeit zur Verfügung: ehrenamtliche Berater und Beratungsgremien. So wie es zum Beispiel das Präsidium mit den Ressorts für die Bereiche versucht hat.
Auch das Management braucht fachlichen Austausch jenseits des Tagesgeschäfts. Bei den bereits genannten Austauschmöglichkeiten sollte hier das Präsidium ein wichtiger Partner des Vorstands sein. Wenn das von beiden Seiten gewollt ist, muss der Austausch vom Vorstand aktiv gefördert werden. Ich habe diese Art von Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Vorstand immer sehr vermisst.
Besten Gruß, Sebastian
PGP Key: https://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Sebastian_Wallroth/PGP
Am 08.12.2014 um 21:48 schrieb Pavel Richter:
Hallo zusammen,
es gibt sicher jede Menge guter Argumente für und gegen eine Doppelspitze, und einige davon sind hier ja auch schon diskutiert worden. Ich möchte jedoch gerne etwas Hintergrund liefern zur konkreten Situation bei Wikimedia Deutschland.
Der Verein ist thematisch enorm breit aufgestellt: Wir entwickeln Software und fördern Ehrenamtliche; wir arbeiten mit Kulturinstitutionen zusammen und sind in ein internationales Wikimedia-Netzwerk eingebunden; wir fördern Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und wir führen jede Menge Veranstaltungen durch; wir haben für einen Verein unserer Größe eine enorme Außenwirkungen in der Presse und Öffentlichkeit, und wir sind die mit Abstand größe Online-Fundraiser-Organisation in Deutschland.
Diese Breite hat mich dazu veranlasst, die Geschäftsstelle entsprechend zu strukturieren: Mit den Bereichs- und Stabsstellenleitern habe ich bewusst Menschen gesucht, die fachlich fundierte Kenntnisse in ihren Bereichen haben. Ihre Aufgabe ist es, die strategischen Vorgaben des Jahresplans durch geeignete Projekte und Maßnahmen umzusetzen, hierfür das richtige Personal auszuwählen, und den Projektfortschritt zu überwachen. Neben der fachlichen und personellen Leitung ihrer Bereiche sind alle Leiter in die Gesamtleitung der Geschäftsstelle eingebunden. Alle wesentlichen Entscheidungen der Geschäftsstelle werden gemeinsam besprochen. Am Ende des Tages ist es natürlich stets der Vorstand, der die Verantwortung trägt, und daher auch das letzte Wort hat. Es kam aber in den letzten Jahren häufig vor, dass Maßnahmen umgesetzt wurden, die ich persönlich nicht für zielführend hielt. Zustimmen und Verantworten konnte ich diese Maßnahmen dennoch, da ich mich darauf verlassen konnte, dass die jeweiligen Fachleute (in diesem Fall: Bereichsleiter, die dann auch noch unterstützt wurden von ihren eigenen Mitarbeitern, die sich ebenfalls sehr gut in den betreffenden Themen auskennen) es einfach besser wissen als ich.
Meine Aufgabe als Vorstand bestand daher darin, neben der Auswahl der richtigen Mitarbeiter, sicherzustellen, dass die wichtigen Entscheidungen richtig zustande gekommen sind. Wenn ich überzeugt war, dass eine Entscheidung (etwa für ein Projekt) wohlbegründet, gut informiert und gut geplant war, dann habe ich dieser in (fast) allen Fällen auch zugestimmt - auch wenn ich persönlich anders entschieden hätte. Aber ich weiß halt viel weniger über Softwareentwicklung, Fundraising oder Internationales etc. als die jeweiligen Leiter. Daher die Struktur der Geschäftsstelle, wie sie heute ist - fachlich hochkompetente und mit hoher Entscheidungsautonomie ausgestattete Bereichsleiter und ein Vorstand, der sich um die Gesamtkoordination, die Strukturen und Prozesse kümmert und die Gesamtverantwortung trägt.
Das spricht nicht gegen eine Doppelspitze - aber es muß einem klar sein, das bei einer Doppelspitze auch plötzlich Aufgaben und Kompetenzen doppelt besetzt sind: Ein "strategischer Vorstand" mit starker inhaltlicher Agenda und Kompetenz verträgt sich nicht mit dem derzeitigen Modell der Bereichsleiter. Wenn die wesentlichen inhaltlichen Impulse und Entscheidung durch einen "strategischen Vorstand" kommen, verändert sich die Leitungsaufgabe der Bereichsleiter dahingehend, dass sie weniger inhaltlich und mehr administrativ / personell leiten. Das ist ein gangbares Modell (und es gibt viele Organisationen, die dies so tun), aber es entspricht nicht der derzeitigen Struktur der Geschäftsstelle.