Hallo Jürgen,
Eine wunderbare Sonntagsrede.
Zwei Nachfrage hätte ich, Jürgen.
1. Nachdem du ja jetzt ein Jahr im Präsidium warst und auch die Trennung von Herrn Richter mitentschieden hast, wie möchtest du in Zukunft der von dir angeführten "grundsätzlichen Aufsichtspflicht" gerecht werden?
Hoffst du, wie ich, dass es unter einem neuen Vorstand ein Berichts- und Dokumentationswesen sowie ein Prozess-, Kontakt- und Knowledgemanagement geben wird, welches es zukünftig ermöglicht ohne unverhältnismässigen Aufwand, Zahlen, Fakten und Entwicklungen nachvollziehen zu können oder findest du das frühere Prinzip des "das Präsidium lässt sich ein paar schöne Geschichten vom Vorstand und den Bereichsleitern erzählen" ausreichend?
2. Wenn dir bei der Erfüllung der "grundsätzlichen Aufsichtspflicht" ein paar Strukturprobleme im Alltag der Geschäftsstelle klar werden, wie möchtest du diese dann angehen? Insbesondere würde mich interessieren, was du machen willst, wenn der Vorstand eine kritisierte Entwicklung trotz deutlichen Hinweisen aus dem aufsichtsführenden Präsidium nicht angeht oder gar durchblicken lässt, dass er das grundsätzlich anders sieht und diese Probleme mithilfe seiner zentralen Machtposition geschickt leugnet/wegwischt?
Über eine Antwort auf die beiden Fragen würde ich mich sehr freuen.
Beste Grüsse
Jens
Am 28. November 2014 um 02:47 schrieb Jürgen Friedrich < juergen.friedrich@wikimedia.de>:
Nach einem langen Abend der Lektüre einer sehr disparaten Diskussion zur Präsidiumswahl auf dieser Liste (ich war vier Wochen im Ausland) stehe ich ein wenig hilflos vor der Frage, was man zu all den Einzelheiten sagen soll. Ich versuche mal, einige wenige Stränge aus der Diskussion aufzugreifen und meine Position dazu - in Ergänzung zu meiner Selbstvorstellung - zusammenzufassen:
Die Förderung der Communitys muss - auch gegen den Trend in der Foundation
- gestärkt werden. Es darf vor allem nicht bei Sonntagsreden bleiben,
sondern es muss sich in den materiellen Entscheidungen, z.B. bei der Mittelverteilung im Rahmen des Jahresplans, deutlich niederschlagen und dann in ihrer Wirksamkeit überprüft werden. Mittelentscheidungen sind Strukturentscheidungen: Wollen wir mehr Software-Entwicklung oder mehr Community-Unterstützung, wäre so eine Frage.
Mit den Mitteln des Vereins, die ja im Wesentlichen Spendenmittel und Mitgliedsbeiträge sind, muss wesentlich zielorientierter umgegangen werden. Die Verausgabung von Mitteln für den "Überbau" (von immensen Kosten für den Vorstandswechsel bis hin zu überbordender Beschäftigung von externen Beratern/Dienstleistern) muss kritisch anlysiert und letztlich reduziert werden. Meine Position: Die Mittel des Vereins müssen mindestens zu 80% für die Unterstützung der Communitys und der direkten Förderung Freien Wissens verwendet werden.
Das Präsidium muss sich auf die strategischen Gestaltungsfragen konzentrieren und seiner grundsätzlichen Aufsichtspflicht gerecht werden. Das bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass sich das Präsidium möglichst vollständig aus der operativen Tagesarbeit der Geschäftsstelle heraushalten soll. Die starke operative Orientierung des Präsidiums in der Vergangenheit hat die inhaltliche Diskussion zur Zukunft des Vereins zu kurz kommen lassen.
Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle sind in ihrer ganz überwiedenden Mehrheit außerordentlich engagiert. Es gibt aber in einigen Bereichen der Geschäftsstelle hinsichtlich Effektivität und Service-Orientierung im Verhältnis zu den Freiwilligen noch einige Luft nach oben. Ich bin überzeugt, dass diese Potenziale in konkretes Handeln umgesetzt werden können - und will das durch strukturelle Beiträge unterstützen.
Die Form der Auseinandersetzung in den Diskussionen des Vereins ist teilweise unterirrdisch. Wo kommt diese Aggressivität her? Brauchen wir diese Machtspiele? Ich hoffe, es gelingt mir im Falle einer Wahl, Beiträge zur Versachlichung unserer Diskussionen zu leisten. Andere Meinungen müssen toleriert und dürfen nicht polemisch abgebügelt werden. Wir müssen uns auf die Ziele des Vereins und auf unsere gemeinsame Vision des Freien Wissens konzentrieren. Das hört sich banal an, findet aber in der Realität leider viel zu wenig statt.
Die Frage der Interessenkonflikte im Zusammenhang mit einer Präsidiumsmitgliedschaft bzw. -kandidatur hat ja in den Diskussionen auf dieser Liste breiten Raum eingenommen. Grundsätzlich gut so, aber es gibt doch noch so viele andere zentrale Themen der Präsidiumsarbeit, die hier eine Rolle spielen müssten (Schwerpunktsetzung in der Arbeit des Vereins in den nächsten fünf oder zehn Jahren; Verbesserung des Verhältnisses zwischen Verein und Communitys; Perspektiven der Projektförderung usw.) Aber da die Frage an die Bewerber gestellt ist, hier meine Antwort: Ich bin der Auffassung, dass Einrichtungen/Firmen, an denen Funktionsträger des Vereins maßgeblich beteiligt sind, nicht in geschäftliche Ausschreibungen von WMDE einbezogen werden sollen.
Viele Grüße. Jürgen _______________________________________________ VereinDE-l mailing list VereinDE-l@lists.wikimedia.org https://lists.wikimedia.org/mailman/listinfo/vereinde-l