Hallo Ziko,
Monarchenvergleiche sind im Deutschen normalerweise negativ konnotiert, "Monarch" wird eher als Schimpfwort gebraucht. In den Niederlanden muss das anders sein, sonst wäre die Monarchie dort wohl schon abgeschafft. Beim Lesen Deines Monarchievergleichs musste ich stutzen und besann mich dann darauf, dass Du ja in den Niederlanden wohnst. Ich vermute, Jens ging es ähnlich.
MfG Stefan
Am 18.11.2014 21:10 schrieb Ziko van Dijk:
Jens, eine seltsame Mail... ich weiß nicht, warum du meine Nationalität thematisierst... Ziko
Am 18. November 2014 01:21 schrieb Jens Best jens.best@wikimedia.de:
Lieber Ziko,
auch wenn ich deinen Vergleich mit Monarch/Minister unpassend finde (als Niederländer fällt er dir vielleicht auch schlicht einfacher :), würde ich ihn gerne an einer wesentlichen Stelle ergänzen, um auf eine wichtige Eigenschaft aufmerksam zu machen, die für gute Präsidiumsarbeit nötig ist.
Du schreibst: "Der Monarch kann dem Minister Vorgaben machen und ihn auswechseln, aber nicht "regieren"." - Da stimme ich dir soweit zu. Aber in der Realität muss der Monarch auch dafür sorgen, dass er Informationen bekommt, die sicherstellen, dass er nicht einfach nur vom Minister das Gefühl vermittelt bekommt, alles liefe nach den gemachten Vorgaben. Insofern muss der Monarch ran an die konkreten Umstände, um sich selbst ein Bild machen zu können. Ein Monarch, der nur Strategien in die Luft werfend durch seinen vom Minister schön gestalteten Lustgarten wandelt, wird irgendwann überrascht, wenn er mal auf die Strasse tritt und feststellt, dass der Minister konkret das Gegenteil von dem gemacht hat, was in den Berichten stand. Die wichtigste Aufgabe ist sicher dann einen neuen Minister zu finden, aber zurück in den Lustgarten sollte sich der Monarch auch nicht mehr begeben, sondern auf der Strasse stehen und schauen, dass das passiert, was vorgegeben und außerdem seit Ewigkeiten auf breiter Basis gefordert wird.
So, damit ist der eh schon fragwürdige Vergleich endgültig überstrapaziert, aber ich hoffe, es klar geworden, was ich ergänzen wollte.
Beste Grüsse
Jens
PS: Natürlich weiss ich, dass Holland eine *parlamentarische *Monarchie ist.
Am 18. November 2014 00:53 schrieb Ziko van Dijk zvandijk@gmail.com:
Lieber Sebastian, lieber Sebastian,
in den vergangenen Jahren war ich überaus in der Wikimedia-Bewegung engagiert und habe ein wenig über die Ländergrenzen hinausblicken dürfen. Meiner Erfahrung nach hakt es in mehr als einem Wikimedia-Landesverein an vor allem jenen Punkten: Das Rollenverständnis von Vorstandsmitgliedern (oder Funktionsträgern im Allgemeinen); falsche Erwartungen von Vereinsmitgliedern; mangelnde Ausbildung.
Einige Vorstandsmitglieder finden sich in ihrer Rolle nicht zurecht. Manche sind wenig aktiv und machen Vorstandsarbeit eigentlich gar nicht gern; andere zeigen einen fehlgeleiteten Eifer, das sogenannte Mikromanagement. Ich weiß von einem ehemaligen Vorsitzenden (nicht in WMDE), der fast täglich in der Geschäftsstelle angerufen hat, um den Mitarbeitern zu sagen, was sie wann tun sollen.
Der Vorstand (oder in DE "das Präsidium") hat ganz bestimmte Funktionen und soll in erster Linie für eine Strategie, für einen Jahresplan und einen Haushalt sorgen. Dies vorbereitet von den Mitarbeitern und unter Mitsprache der Mitglieder. Schließlich kontrolliert der Vorstand, ob der Verein als Ganzes die darin enthaltenen Ziele erreicht hat. Politikhistorisch gesehen erinnert der Vorstand also an den Monarchen in der konstitutionellen Monarchie, und der Geschäftsführer (in DE "Vorstand") an den verantwortlichen Minister. Der Monarch kann dem Minister Vorgaben machen und ihn auswechseln, aber nicht "regieren". (Siehe [[Konstitutionelle Monarchie]], einer meiner "Wikipedia 48 Artikel".)
Wer sich nicht für Haushalt und Richtlinien und Berichte usw. interessiert, der ist für einen Vorstand nicht so geeignet; wer eigentlich ein Projekt managen will, auch nicht. Solche Leute, welche Talente und Qualitäten sie sonst im Leben unter Beweis stellen mögen, werden naturgemäß enttäuscht auf ihre Vorstandszeit zurückblicken.
Ich habe ferner die Erfahrung gemacht, dass auch die "einfachen" Vereinsmitglieder nicht immer realistische Erwartungen haben. Einige kommen mit Ideen an, bei denen man antworten muss: 'Das können wir nicht leisten', oder 'Das können wir jetzt nicht leisten'. Dies akzeptieren manche Vereinsmitglieder aber nicht und schlagen dann wie Kinder wütend um sich.
2013/2014 haben uns einige WMDE-Mitarbeiter verlassen, auf eigenen Wunsch oder anders, und mir ist ein Kontrast aufgefallen: Während diese Menschen für WMDE gearbeitet haben, sind sie teils allerbösartigst von bestimmten Ehrenamtlichen beschimpft worden, und bei der Entlassung haben dann dieselben Ehrenamtlichen darüber geklagt, wie falsch/unmenschlich/dumm die Entlassung sei...
Allgemein scheint mir manche Vereinskommunikation verbesserbar zu sein. Wenn ich eine Frage habe, dann wende ich mich zunächst an die Betroffenen, und überlege erst dann, ob eine Mailingliste damit behelligt werden muss. In 99 Prozent aller Fälle erhalte ich auch so die Auskünfte. Auf manchen Mitgliederversammlungen (fragt mal nicht, in welchem Land) hatte ich den Eindruck, dass ein Auftritt vornehmlich mit Selbstdarstellung zu tun hatte, weniger mit der Absicht, etwas zu verbessern.
Und schließlich glaube ich, dass wir alle noch nicht genug über die Wikimedia-Bewegung wissen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dazu gesonderte Trainings vertragen könnten, damit Hauptamtliche und Ehrenamtliche besser vorbereitet zum Beispiel zu internationalen Treffen fahren. Da fallen mir jetzt einige Leute aus anderen Landesvereinen ein, die eher einen Einführungskurs in die Bewegung brauchen als dass sie sinnvoll an einer Wikimedia Conference teilnehmen könnten. Wir überfordern unsere Leute oftmals und wundern uns dann, warum die Resultate so durchwachsen sind.
Es erübrigt sich wohl zu wiederholen, auf welche Punkte ich bei einem Kandidaten für das WMDE-Präsidium besonders achte. Allgemein freue ich mich über die große Zahl an Kandidaten. Ich halte es für legitim, seine eigene Wahlentscheidung zu veröffentlichen, weiß aber nicht, ob ich das für mich möchte. Einige "Wahlprüfsteine" fände ich sinnvoll, ähnlich wie bei den WMF-Wahlen, aber dazu ist es mittlerweile vielleicht etwas spät.
Besten Gruß Ziko van Dijk