Lieber Olaf,
ich bin mal wieder zu dem ursprünglichen Thread zurückgegangen.
Am 16. Oktober 2009 16:00 schrieb Olaf Simons olaf.simons@pierre-marteau.com:
Was die Redaktionen anbetrifft: ernstlich bin ich dankbar für die Erfahrungen, die ich mit dem damals scheiternden Projekt machte.
Ich sehe heute klarer, dass sich produktive Prozesse durchsetzen - keine Umleitungen von Energien und keine Umstrukturierungen von Abteilungen. Man muss Dinge schaffen, die gut laufen, ohne andere Ebenen etwas zu kosten, interessante Zusatzangebote, und man kann nur von ihnen aus erwarten, dass sie freiwillige Strukturänderungen nach sich ziehen. Die Leute schließen sich interessanten Projekten an. Wir sollten da nichts umstrukturieren, eher Neues im spannenden Zusatz schaffen, Wachstumsmärkte.
Ja, das sehe ich genauso. Die wesentliche Lehre aus Deinem damaligen Versuch ist glaube ich: Es bringt nichts, von oben Strukturen zu definieren.
Der Aufbau eines Journals - ich sprach das in Siggen als Projekt Frank gegenüber detaillierter durch - hat Vorteile und Nachteile (letztere in der Kontinuität der Organisation). Der Aufbau der Wissenschaftlichen Reihe wird für uns leichter zu stemmen sein, da wir hier Verantwortung themengebunden an Fachleute abgeben, die Koordination und Verlegerschaft übernehmen, daher das Plädoyer. Indes muss man wohl 12 Ausgaben anschieben, in verschiedenen Themenfeldern mit Binnenkommunikation in die Community hinein, um so ein Projekt zum Laufen zu kriegen, und damit wird man massiver beschäftigt sein. Du als jemand aus den Wissenschaften weisst so gut wie ich, wie Forschungsbände zustandeommen...
Ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, dass ein Journal genau das richtige ist. Allerdings lehrt die bisherige Erfahrung, dass die bisherigen Wege, Wissenschaftler zur Mitarbeit zu bewegen, wenig erfolgreich waren. Insofern muss man neue Wege ausprobieren und das könnte ein Journal sein, gut kann ich mir auch organisierte Gutachten vorstellen, bei denen Wissenschaftlern Artikel zugeschickt werden und die Gutachten in die Wikipedia zurückfließen. Gutachten sind zum Einen etwas, was tägliches Brot des Wissenschaftsbetriebes ist (im Gegensatz zum Erstellen von Wikipediaartikeln), was sich gut nebenbei einschieben lässt, etwa auf einer Bahnfahrt, bei dem sich Wissenschaftler direkt gut fühlen, weil man sie um Rat fragt und bei dem keine große Gefahr von Konflikten besteht.
Dass ich die Zedlermedaille für ein problematisches Konstrukt halte, will ich nebenbei gestehen: Sie setzt voraus, dass sich kompetente Autoren einen Artikel kapern und ihn neuschreiben - was von außen kommend niemand so einfach tun wird - es käme einem Affront gleich: "den Artikl sah ich bei Wikipedia, ich fand ihn mies, machte ihn neu" - das wird sich allenfalls einer von uns erlauben, jemand, der Wikipedia als mit sein eigenes Ding begreift. Wir ködern mit dieser Medaille vor allem Leute aus unseren Reihen und wir können kaum erwarten, dass eine Jury von außen diese unsere Autoren in unserem Auftrag lobt.
Mh, die meisten Einsendungen befassen sich mit neuen Themen oder mit sehr kurzen Artikeln?
Man sollte Wikipedia als bestehendes Konstrukt anerkennen und mit diesem Konstrukt umgehen - nicht vermuten, dass wir die Aufbauphase beliebig fortsetzen. Es wird darum gehen, Phase Zwei zu erkennen. Hier habe ich den Eindruck, wir arbeiten fort, als wenn's noch Phase Eins wäre und erwarten, dass neue Autoren das Ding noch immer so wahrnehmen wie wir dies taten, als es noch kaum bestand. Die Realität ist, dass Wikipedia existiert, dass die Community existiert, die sie baute - und man sollte beides als Kapital erfassen. Ich sehe da Tendenzen, an die Professionalisierung zu denken und das Kapital der Community zu verkennen. Wenn wir schlau sind, stärken wir die Community und entwickeln sie zu einer Gruppe, die nebenbei mit den Wissenschaftlern umgeht. Ich mache mir überdies eben keine Hoffnungen, dass Wissenschaftler eine bessere Wikipedia bauen würden. Wenn wir dumm sind, geben wir das Signal in die Community: "ist ja ganz hübsch, was ihr da aufbautet, nun lasst aber mal die Wissenschaftler ran, die es dann besser machen". Die Wissenschaftler werden es nicht besser machen. Die, die es aufbauten, werden es mit einer vollkommen unersetzlichen Verantwortung verbessern.
Ich sehe diese Tendenzen nicht. Sehr wohl sehe ich aber Abwehrreaktionen, in denen Schwarz-Weiß gemalt wird, als ob die einzigen Alternativen eine Dilletanten-WP und eine Wissenschaftler-WP wären. Der goldene Mittelweg ist es denke ich: Hochmotivierte Freiwillige, denen hochqualifizierte Profis hilfreich, nicht hindernd, zur Seite stehen.
Zudem ist nicht mal klar, wie wir die 20% Wissenschafter messen wollen - sollen unsere Leute einen Sticker kriegen "Wissenschaftler" - sollen sie eine Elite werden, eine Avantgarde der Wikipedianer mit Deckung von Wikimedia? Wohl kaum.
Die Frage, wie man den Erfolg der Ziele misst, ist Teil des jetzigen Prozesses.
Viele Grüße
Philipp