Hallo Sebastian, hallo in die Runde,
welchen Vorteil siehst du darin, sich bei der Bezahlung unserer Mitarbeiter nicht an ihren Leistungen und Fähigkeiten mittels individuellen Vereinbarungen sondern an den Tabellen des öffentlichen Dienstes zu orientieren?
Auch der TVöD bzw. TV-L orientiert sich an den Leistungen der Mitarbeiter - nämlich in Form der Eingruppierung, die von ihrer konkreten Tätigkeit/Stellenbeschreibung abhängt. Dass Mitarbeiter entsprechend ihren Fähigkeiten eingestellt und eingesetzt werden, setze ich voraus.
Im TVöD waren ursprünglich gestaffelte Leistungsentgelte vorgesehen zwischen 1 bis 4 Prozent des Jahresbrutto. Es kam aber mW kein allgemein gültiger Kriterienkatalog für Zielvereinbarungen zustande. Eine individuelle Leistungs- oder Erfolgsprämie birgt großes innerbetriebliches Konfliktpotenzial, besonders bei unklarer Herleitung und bei unterschiedlichen Möglichkeiten, um (i.d.R. wirtschaftliche) Ziele zu erreichen und Prämien zu erhalten.
Ein Korridor mit individuellen Ermessensspielräumen bietet sich im Rahmen der Tarifanalogie bei der Aushandlung der Entgelt*stufe* neuer Mitarbeiter (innerhalb ihrer Entgelt*gruppe*), um erfahrenes Personal zu gewinnen. Und dann nochmal fortlaufend bei den Jahressonderzahlungen: Bei Tarifanalogie kann man das "Weihnachtsgeld" (im Westen je nach Einkommensgruppe 35-95% eines Monatslohns, höhere Prozente bei niedrigeren Lohngruppen) als freiwillige soziale Leistung definieren. Dies wäre quasi die Bonus-Zahlung am Ende eines erfolgreichen Jahres, nur dass er bei Tarifanwendung transparent, personenunabhängig und für alle Mitarbeiter nachvollziehbar gestaltet wäre. Streit mit und zwischen Arbeitnehmern über die Bewertung ihrer Leistungen ist dann weniger wahrscheinlich (jedenfalls auf finanzieller Ebene).
Auch als Mitarbeiter des Vereins hätte ich übrigens extremes Interesse daran, dass ein wesentlicher Teil meines Gehalts nicht womöglich willkürlichen Entscheidungen (mit nachgeschobener Sachbegründung) und jährlichen Neuverhandlungen unterliegen könnte. Schon 1% des Jahresgehalts ist eine nennenswerte Summe, um die man nicht jedes jahr bangen möchte.
Formal ist Wikimedia natürlich keine öffentliche/staatliche Einrichtung, sondern eine "Privatunternehmung". Als gemeinnütziger Verein unterliegt WMDE aber, vor allem in seinem wirtschaftlichen Handeln, durchaus manchen Anforderungen des öffentlichen Dienstes. Wir können auch einen sehr guten Mitarbeiter nicht mal eben als Dankeschön mit einem Maserati ausstatten, ohne unsere Gemeinnützigkeit zu gefährden und Spender zu verprellen. Auch bezüglich der *inhaltlichen* Arbeit des WMDE setzt das Tarifsystem des öffentlichen Dienstes einen angemessenen Maßstab. Es mag gute oder gar bessere Tarife oder Haustarife vergleichbarer Vereine (etwa im Bildungswesen?) geben; ich kennen keinen.
Die besseren Chancen auf öffentliche Fördermittel würde ich genau nicht beiseite lassen, da hier - soweit ich mich richtig erinnere - eine stärkere Inanspruchnahme ausdrücklich geplant ist. Öffentliche Geldgeber müssen sicherstellen, dass Träger geförderter Maßnahmen/Projekte ihre Mitarbeiter weder stark unter- noch überbezahlen. Dafür bietet ein anerkannter Tarif eine sichere Kalkulationsbasis.
Dasselbe Interesse haben die Mitglieder des Vereins, die sowohl das höchste Entscheidungsorgan sind als auch den Vorstand jährlich entlasten sollen: es gibt dann für die Gehälter ein klares, nicht-willkürliches Regelwerk, das allen gängigen Anforderungen entspricht. Das kann alternativ ein eigenes, klar nach Funktionen und Arbeitsanforderungen gestaffeltes Haustarifsystem sein. Aber wozu das Rad neu erfinden, wenn sich so viele NGOs und sogar andere Tarife (etwa kirchliche) ohnehin am TVöD orientieren?
Viele Grüße Martina