Und hier noch mein Senf.
Wie alle Studien zeigen, ist das Bildungsniveau der Leute, die bei Wikipedia mitschreiben, überdurchschnittlich. Wobei mich interessieren würde, was passiert, wenn man eine Studie macht zum Thema: Wie ist das Bildungsniveau der Leute, die bei Wikipedia mitschreiben, auf dem Gebiet auf dem sie beitragen? Damit wären wir aus meiner Sicht beim Kernproblem: Wir haben insgesamt viel zu wenig Leute, die bei Wikipedia mitschreiben und die Leute schreiben da mit, wo sie Spaß dran haben, nicht wo sie am kompetentesten sind. Genau hierauf zielt die Zeile im Kompass 2020 ab: Wie kriegen wir kompetente Leute dazu, da beizutragen wo sie kompetent sind?
Dass die Wikipedia Academy, die Zedler-Medaille oder Sachen wie das Nawaro-Projekt das direkte Ziel, Wissenschaftler zur Mitarbeit zu gewinnen, nicht erfüllen, wurde ja schon vor einiger Zeit auf dieser Liste diskutiert. Dieses Jahr wurde das nochmal deutlich bestätigt, aber auf der Wikipedia Academy tauchte das Thema: "Was sind die Gründe dafür" und "Wie können wir das ändern" immer wieder auf. Ich denke, der Vortrag von David Ludwig hat den Punkt nochmal ganz deutlich gemacht: Das aktuelle Reputationssystem der Wissenschaft ist einfach von einer Gestalt, bei der eine Mitarbeit an der Wikipedia keinen Gewinn bringt. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass Wissenschaft sich an vielen Stellen verändert. Diese Trends sind in den Naturwissenschaften deutlich stärker als in den Geisteswissenschaften, aber sie sind da. Konkret sind das etwa Open-Access-Publikationen, eine wachsende Bedeutung von Kommunikation der eigenen Ergebnisse für die Allgemeinheit, aber auch ein Generationenwechsel auf den Lehrstühlen in Deutschland.
Nun wollen wir nicht unbedingt 10 oder eher 20 Jahre warten, bis sich das alles entwickelt hat. Aber Wikimedia Deutschland kann diesen Prozess ja unterstützen, etwa durch Unterstützung von Open Access, durch Lobbying bei der deutschen Forschungsgemeinschaft oder dem BMBF, durch weitere Kooperationen der Sorte Nawaro (die zwar keine bleibenden neuen Autoren gebracht hat, aber ohne Zweifel eine deutliche qualitative Verbesserung eines ganzen Bereichs) und durch Projekte mit den wissenschaftlichen Akademien.
Es ist übrigens hier, wo ich die Zedler-Medaille als sehr wichtig ansehen würde: Als Fuß in der Tür bei interessanten Partnern. Hier wäre es aber wichtig, noch stärker nachzusetzen (siehe auch http://asinliberty.blogspot.com/2010/11/ein-paar-lose-gedanken-zu-wissenscha...).
Noch ein letzter loser Faden: Die Idee, Wissenschaftler Reviews machen zu lassen, gefällt mir immer noch und die Akademie Mainz oder eine andere, bieten sich da durchaus als Partner an.
Viele Grüße
Philipp
P.S: Ich habe letzte Woche einen bekannten schwedischen Mathematiker besucht, der mir, ohne von meiner Tätigkeit bei Wikipedia zu wissen, erstmal auf einen von ihm geschriebenen WP-Artikel hinwies und meinte, wie wichtig das doch alles sei. Komische Zufälle.