Am 25.11.2010 17:02, schrieb Olaf Simons:
Wir sollten nicht unbedingt Wissenschaftler als
Artikel-Autoren gewinnen.
Passt. Allerdings würde ich andere Konsequenzen ziehen wollen.
Deine Darstellung ist ziemlich interessant, ergänzt sie doch aus geisteswissenschaftlicher Sicht Statements von Naturwissenschaftlern, die im Rahmen der Academy abgegeben wurden. Hier waren die Beweggründe anders, denn es geht bei Naturwissenschaftlern selten um Schulen, Strömungen oder Positionen, sondern meist um rein Faktisches. Trotzdem gibt es aber auch hier noch viel zu wenige Aktive. Beide Perspektiven lassen sich meines Erachtens prinzipiell auf die von David Ludwig in der Keynote formulierte Einsicht zurückführen: "Wikipedia besitzt kein Reputationssystem.".
Die Wikipedia ist für viele Wissenschaftler auch ein Kulturschock: der Gedanke, dass Laien in der Wikipedia gleichberechtigt neben ihnen agieren dürfen, die Existenz von Vandalismus, die (scheinbar) fehlende Zuschreibung an Autoren, die "Unabgeschlossenheit" der Texte oder auch die Angst davor, zuviel Wissen freizugeben und so etwas zu verlieren. Das Problem, das hier auftaucht, ist zu einem gewissen Stück auch, das Wissenschaft selbst ein nur wenig offenes System mit wenig Anknüpfungspunkten darstellt. Wie groß die Differenz dahin ist, machte der Academy-Vortrag von Daniel Mietchen klar, der in seinem Vortrag "Wissenschaft als Wiki" exemplarisch ein komplett anderes Bild einer möglichen Wissenschaft entwarf: [1]
Vielleicht ist es ein Fehler in den bisherigen Ansätzen, Einzelpersonen adressieren zu wollen, für die die Frage nach der Reputation ihrer Arbeit meist viel wichtiger ist. Alles andere kommt irgendwann lang danach, inklusive der aufklärerischen Idee, die Welt an ihrem Wissen teilhaben zu lassen :(
Für Wissenschaftler spricht nichts dagegen diese Beiträge unter eine Commons-Lizenz zu stellen. Sie erhalten auch bei Rodopi, Metzler oder Reclam nichts für ihre Arbeit. Wichtig ist für sie, dass klar ist,
was sie wann schrieben.
In den Vorträgen des zweiten Tages der Academy klang das (evtl. auch hier ein Unterschied der Disziplinen) deutlich anders - die Angst vor der mangelnden Kontrolle des Materials (könnte ja dem Konkurrenten zugute kommen), die Frage nach der wichtigen Anhäufung von Impact-Faktoren, die man nicht über die Mitarbeit in einem "Forscherwiki" zustande bekommt, der Unwille von Kollegen, aus Wikis zu zitieren, egal wer da schreibt .... eine Menge Gründe wurden da angeführt, nicht zuletzt auch das schlichte "Kenn ich nich' - will ich nich'.". Ich entsinne mich noch an ein Wort zur Verbreitung von Open Access (hier nach Southpark zitiert [3]): "ein wirklich gut informierter SPrachwissenschaftler hat schon mal vage gehört, dass es sowas wie OA gibt" - dass Freie Lizenzen da wesentlich besser durchschlagen, halte ich für eine mutige These.
Anders ist dies bei Organisationen - zum Beispiel Universitäten oder Instituten. Hier gibt es oft gemeinsame Interessen. Die Wikipedia lässt sich z.B. zu beiderseitigem Nutzen in der Lehre als eine Art Lern- und Lehrplattform einsetzen, so wie es zum Beispiel das Wiwiwiki.net in den Wirtschaftswissenschaften tut, das en-WikiProject "Murder Madness and Mayhem" [2] in der Literatur Lateinamerikas oder -viel weiter gezogen- die PPI-Initiative der Wikimedia Foundation. Auch der Ansatz, dass Forschungsinstitute ihre Arbeitsgebiete als Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit in der Wikipedia präsentieren, wäre -adäquat ausgearbeitet- denkbar.
Vielleicht also mehr Wissenschaft als Wissenschaftler? Vielleicht macht es einfach mehr Sinn, in Zukunft dort zu agieren, wo bereits Schnittstellen bestehen, als künstlich welche konstruieren zu wollen?
Gruß, Denis Barthel
[1] http://www.science3point0.com/coaspedia/index.php/User:Daniel_Mietchen/Talks...
[2] http://en.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProject_Murder_Madness_and_Mayhem
[3] http://asinliberty.blogspot.com/2010/11/wikipedia-academy-liveblogging-samst...