Hallo zusammen,
derzeit reist Sue Gardner, die Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation durch Europa um sich mit möglicht vielen Chapters zu treffen.
Wer am Donnerstag bei der Wiki Loves Monuments-Preisverleihung in Wien war konnte sie dort treffen. Wir hatten Glück, dass wir ihren Besuch mit der Feier verbinden konnten. Insgesamt verbrachte sie aber nur wenige Stunden bei uns, es reichte nach der Preisverleihung gerade noch für ein paar Gespräche beim anschliessenden Buffet und eine kurze Gesprächsrunde mit dem Vorstand von Wikimedia Österreich.
Am Sonntag war Sue Gardner ebenso kurz in Hannover wo tags zuvor die Mitgliederversammlung von Wikimedia Deutschland stattgefunden hat. Dort fand sonntags dann eine Diskussionsrunde mit ihr und der Community statt die genau 2:10:48 dauerte. Dabei ging es vorallem um den Bildfilter, Autorenschwund und die fehlenden Frauen.
Ich war vor Ort und habe die Diskussion auf Video aufgezeichnet. Das Video werde ich in den nächsten Tagen hochladen.
Im Wikipedia:Kurier ("Das Wikipedia-Nachrichtenblatt - Nicht unbedingt neutral, nicht enzyklopädisch") hat Benutzer:Fossa einen sehr polemischen aber doch treffenden Beitrag über diese Veranstaltung veröffentlicht den ich Euch gerne weiterleiten möchte.
Liebe Grüsse,
Manuel
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia%3AKurier&action=hist...
Sues Stippvisite
Vergangenen Sonntag war es soweit: Wikimedia-Superstar Sue Gardner verschlug es auf ihrer etwa zweiwöchigen Europareise über London und Wien ins graue Hannover. Dort wollte die sich unermüdlich als Kanadierin Darstellende für zwei Stunden mit der deutschsprachigen Wikipedia-Community diskutieren. Es kamen vorwiegend Funktionäre und Angestellte von Wikimedia, die wenigsten davon sonderlich aktive Wikipedia-Community-Mitglieder, ein paar weitere Wikimedia-Mitglieder, circa fünf versprengte Hannoveraner (meist gleichzeitig Vereinsmitglieder) und drei Leute, die ich keiner dieser Kategorien zuordnen konnte. So wurden ca. 35 Personen im Auditorium zusammengescharrt. Die Diskussion begann vielversprechend: Sues Vortrag darüber, wer sie ist und was wir alles wissen sollten, endete nach 50 Minuten mit ihrer Bemerkung, wir sollten lernen, uns mehr zuzuhören. Und Zuhören durften wir auch in der Folge wirklich lernen: Es sollten nach einer kurzen Frage- und Antwortsession noch drei Vorträge mit bis zu 35 Powerpoint-Folien von Sue kommen. In der Eingangsvorlesung durften wir lernen, was wir bereits wussten: Zum Beispiel, dass Sue Kanadierin ist, dass Wikipedia sowas wie ebay oder google ist, aber eben doch nicht ganz, oder, dass die Foundation mutig sein sollte, sprich Ihren Willen gegenüber den ehrenamtlichen Editoren durchsetzen sollte. Aber Sue stellte in Wikispeak auch klar: „Ich bin ein Wikipedianer! Ich habe 1200 Edits.“ Auf Nachfrage bekräftigte sie nochmal, dass sie die Rolle der community darin sehe, die Foundation zu „trainieren“.
Die Themenauswahl der übriggebliebenen guten Stunde war immerhin deutlich besser, zumindest der Autor dieser Zeilen hatte daran nichts auszusetzen. Es wurden in weiteren Vorträgen abgehandelt:
der Bildfilter der Autorenschwund (drop in editor retention rate) das gender gap („die Geschlechterkluft“)
Sue stellte ihre Position zum Bildfilter wie folgt dar: Das Referendum, das vielleicht keins war, hat gezeigt, dass eine Mehrheit der Editoren für die Einführung eines Bildfilters seien, auch wenn eine nicht winzige Minderheit ihn ablehnen würde. Außerdem würde der Bildfilter einer größtmöglichen Menge an Leuten es ermöglichen, Wikipedia zu lesen. Und schließlich setze sie bloß eine einstimmig vom Board der Wikimedia Foundation auf der Basis eines hochwissenschaftlichen, von einem alten Kumpel Sues erstellten Reports getroffene Entscheidung um, sie könne also gar nicht anders. Aber intellektuell verstehen könne sie alle Einwände gegen den Bildfilter gut. Der anwesende Boardmember Arne Klempert schwieg dazu wohlgefällig.
In der Frage zum Autorenschwund präsentierte Sue danach ein paar Grafiken, die den allseits bekannten Sachverhalt illustrierten und gab nicht völlig absurde Hinweise darauf, was einen solchen Schwund befördere: Bürokratische, negative und/oder boterstellte Neunutzerbegrüssungen, eine Fokussierung auf die berufliche Karriere oder Familiengründung trügen dazu bei. P. Birken und ich stellten allerdings klar, dass führende Mitglieder der deutschsprachigen Community den Editorenschwund nicht als Problem erachteten. Mein Hinweis darauf, dass es umgekehrt aber keinerlei Spenderschwund gebe und, dass ein Heer von bezahlten Angestellten bei Verein und Foundation vielleicht Leute demotiviere, weil sie zwar gerne Freie Inhalte produzieren würden, aber ungerne mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit andere Leute Gehälter rechtfertigen würden, insbesondere dann, wenn die bezahlten Angestellten dann meinen, den Ehrenamtlichen sagen zu dürfen, wo der Hase langlaufen soll, wies Sue jedoch zurück: Manche Arbeit könne halt nicht von Freiwilligen gemacht werden. Vermutlich kommen eh nur selbstsüchtige Soziologen auf solche abwegigen Ideen.
Letztes Thema war das gender gap. Sue bestätigte nochmal, dass sie selbst nie irgendeinen Chauvinismus bei Wikimedia begegnet sei und Phillip Birken hatte auch schon eine Lösung zur Schließung des gender gap parat: Noch mehr Programmierer einstellen, damit wir eine ganz tolle, bunte und komfortable Editieroberfläche bekommen. Bei solchen Diagnosen und Therapievorschlägen erreichen wir bestimmt bis 2020 eine 8%-Frauenquote (derzeit 9%).
Fazit: Insgesamt beteiligten sich immerhin etwa sieben Wikifanten an der Fragestunde, die Antworten von Sue erreichten auf der nach oben offenen Pavel-Richter-Skala für leeres Wikimedia-Marketinggeschwätz eine 2,2, also etwa 0,5 Moleskis, eigentlich gar nicht so schlecht für Wikimedia-Verhältnisse. Wenn Wikimedia demnächst jedoch wieder einen Journalisten als CEO einstellen will, empfehle ich eher Bill Maher oder wenigstens Arianna Huffington. Nicht nur, dass beide Sue rhetorisch überlegen sind, sie stehen wenigstens dazu, dass sie Amerikaner sind. (f, 22.11.11)