Hallo zusammen,
nachdem ich von der Wikimania aus Israel zurück bin möchte ich hier ein kurzes Update geben.
Auf internal-l und später auch auf der chapters-Mailingliste (die von mir unter wikimedia.ch gehostet wird - also niemand von der WMF mitliest) gab / gibt es heftige Diskussionen zu diesem Thema, in den letzten Tagen liefen dort mehrere Hundert Mails zu diesem Thema auf. Generell ist festzustellen, dass der Ton sehr emotional ist und grundsätzliche Fragen zum Umgang WMF-Chapters, Vertrauen, Abhängigkeiten und dem Rollenverständnis der Wikimedia-Vereine gestellt werden. Insgesamt sind solche Diskussionen zu befürworten, derzeit führen sie aber (meiner Meinung nach) zu nichts, da sich längst Fronten gebildet haben und sehr emotional argumentiert wird.
Wir haben uns von WMAT-Seite her kaum beteiligt - ich habe kurz nach der Veröffentlichung des Briefs vom Board kurz die aktuelle Situation beschrieben - dass unsere Spenden nicht absetzbar sind, dieser Status in absehbarer Zeit nicht erhalten werden kann und wir das Agreement bereits unterschrieben haben. Gestern habe ich kurz ein Status-Update gegeben was in der Zwischenzeit passiert ist. Ansonsten haben wir uns nicht beteiligt, mir scheint das auch nicht fruchtbringend zu sein.
Hier für Euch das erweiterte Statusupdate: * auf meine Mail auf internal-l, dass unsere Spenden steuerlich nicht absetzbar sind, wir aber das Agreement bereits unterzeichnet haben, meldete sich Moushira direkt beim Vorstand. Ihres Verständnisses nach wäre das Agreement bereits hinfällig, aufgrund des Satzes: "Secure tax-deductible or non-governmental organization status where applicable and obtainable in the Chapter's home country by September 1, 2011". Dh. wenn wir bis zum 01. September diesen Status nicht haben, beendet sich das Agreement von selbst. Dem haben wir natürlich widersprochen, denn: "if applicable and obtainable" heisst für uns, dass wenn der Status nicht "obtainable" ist, wie bei uns der Fall, dann ist der Satz hinfällig. Es gab eine Skype-Besprechung zwischen dem Vorstand und Moushira bei dem wir das Agreement durchgesprochen haben und uns einig waren, dass der Satz eben nicht zutrifft. Jetzt sieht sie die Sache natürlich anderst.
* am Freitag Morgen haben wir erst einmal eine Vorstandsbesprechung abgehalten - die meisten von uns waren sowieso in Haifa. Dh. Kurt, Christoph, Ingo, Denis und ich sassen zwei Stunden zusammen und haben unsere Meinungen ausgetauscht und Optionen diskutiert. Ich möchte festhalten, dass es unterschiedliche Meinungen gab zwischen den "Hardlinern" die auf jeden Fall am Agreement festhalten und der WMF Schimpf und Schande aussprechen wollen und den "Softies" die der WMF nichts böses tun, Verständnis zeigen und die Sache hinnehmen wollen. Auch gab es Differenzen in der Art und Weise, wie wir verhandeln sollen - offen und ehrlich (Vertrauen voraussetzend) oder hart und das maximale fordern um wenigstens das minimale auch zu erhalten. Einen denkwürdigen Satz von Denis möchte ich festhalten: Er beschrieb, dass unser Ansprechpartner Barry Newstead, der für das Agreement zuständig (und Moushiras Chef) ist nicht aus der Wikimedia-Gemeinschaft kommt, sondern ein Berater für diverse NGOs gearbeitet hat, im Bereich Fundraising. Also ein knallharter Experte in dieser Sache, der die wirtschaftlichen Ergebnisse im Blick hat. "Wenn wir mit dem Politik machen wollen, dann macht der uns platt. Der ist Profi, der macht das seit vielen Jahren. Im Spielchen spielen ist der geübter und besser als wir."
* nach der Besprechnung und Einigung auf eine gemeinsame Linie (ich glaube, so richtig einig waren wir uns trotzdem nicht) haben wir das Gespräch mit Barry Newstead gesucht. Barry machte mir den Eindruck als wäre er sehr offen und interessiert. Er wollte wissen wieviel Geld wir denn noch herumliegen haben, wie der Fundraiser so lief, was wir mit dem Geld so angestellt haben oder noch vorhaben zu tun.
Als Ergebnis kann ich wohl formulieren: * Barry bestätigt, dass das Fundraising Agreement weiter gilt und unsere Sicht der Dinge die richtige ist.
* wir teilen mit, dass wir auf nicht auf die Teilnahme am Fundraiser bestehen, unter einer nicht verhandelbaren Bedingung: Barry sorgt dafür, dass wir das geplante Budget für 2012 dann als Grant von der Foundation erhalten, ohne Einschränkungen unserer Flexibilität.
* wir machen den Voranschlag für 2012 bis zum 1. September fertig. Wir brauchen ihn sowieso, und wir reichen ihn fristgerecht für den Fundraiser an die WMF ein. Entweder er dient dem Fundraiser als "Fundraising Target", also der Summe die wir behalten dürfen, oder er dient als Grundlage für den Grant, den uns die WMF gewährt.
* wir verfolgen die Einrichtung von CiviCRM weiter wie geplant, da dies über die Spendenabwicklung hinaus einige weitere Funktionen bietet die wir nutzen wollen.
Nun sind wir gespannt wie es weiter geht. Beim gestrigen Vorstandstreffen wurde ua. beschlossen, dass wir für den Voranschlag ein Vorstandstreffen organisieren, vermutlich am Wochenende 20./21. August. An diesem Treffen wollen wir den Voranschlag fertigstellen, so dass er dann fristgerecht an die WMF weitergeleitet werden kann.
Ein paar weitere, lose Informationen zum Hintergrund: * einige Chapter haben das Fundraising Agreement nicht eingehalten und damit Probleme bei der WMF verursacht, die auf Transparenz setzt und von ihrer Verantwortung gegenüber den Spendern spricht. Dazu gehört teilweise auch WMAT, da wir bei tausenden Buchungen derzeit immer noch die Kontoauszüge manuell erfassen um die Monatsberichte April - August nachreichen zu können. Hätten wir an der GV im November eine Buchhaltungskraft einstellen dürfen, wäre das kein Problem gewesen. So sitzen jetzt seit Wochen zwei Personen in ihrer Freizeit daran, den Berg an Buchungen nachzubearbeiten. Für 2012 sind wir besser dran, da CiviCRM einen Grossteil der Arbeit (Erfassung der Spende, Verbuchung auf das entsprechende Konto) bereits abnimmt. Trotzdem wird es aber nicht ohne eine dedizierte Person gehen, die die Eingänge nachprüft und im System als erledigt kennzeichnet, also die Buchung abschliesst. * WMAT war aber nicht Grund für die Aktion, sondern WMUK von denen die Aussage an die WMF kam "ihr habt uns keine Vorschriften zu machen". * es gibt einige Chapter, die aufgrund der bisherigen 50:50-Teilung der Einnahmen viel zuviel Geld auf dem Konto liegen haben ohne eine Idee zu haben, was damit passieren soll. Dazu gehört WMAT nicht. Wir haben zwar viel mehr Geld bekommen als wir uns denken konnten, aber wir haben auch vieles damit schon gemacht bzw. verplant. Ausserdem redet die WMF von Millionen, die herumliegen, wir haben nur rund 45.000 EUR ingesamt behalten. Es geht der WMF hier auch um die Fairness - ein Chapter in einem armen Land wird nie viel Geld erwirtschaften können und muss davon noch die Hälfte abgeben. Das neue Agreement löst dieses Problem aber eigentlich schon dadurch, dass statt der 50:50-Teilung nun das "Fundraising Target" basierend auf dem Jahresvoranschlag als Basis der Chapter-Finanzierung herangezogen wird. * es wurde immer wieder erwähnt, dass einge Chapter nicht ehrlich gewesen seien bzgl. ihrer Spendenabsetzbarkeit bzw. einige zwar das Agreement unterschrieben haben, sich aber nicht weiter um die Erreichung des Absetzbarkeitsstatus gekümmert haben. Pavel (Geschäftsführer WMDE) sprach davon, dass "einige Chapter endlich mal aufgewacht sind". Die aktuellen Regelungen ermöglichen es WMAT offiziell nicht, diesen Status zu erhalten. Wir haben mittlerweile ein paar Ideen gesammelt die mehr oder weniger darauf abzielen, dass wir einfach mal "frech" sind (as in "be bold") und anfragen, ob wir nicht auf die Liste zum Roten Kreuz, Amnesty International et. al. gesetzt werden könnten. Das wäre aber Good-Will der Behörden. Versuchen werden wir es. Bis zum 1. September wird das natürlich nichts und wir haben diese Ideen auch der WMF nicht mitgeteilt, da dies nichts offizielles ist. Sonst wird uns noch ein Strick draus gedreht mit der og. Formulieren "if obtainable" aus der dann aus WMF-Sicht ein "obtainable" wird.
Das war mal meine Sicht der Dinge, ich habe versucht die verschiedenen Ansichten des Vorstands neutral darzustellen. Gerne können meine Kollegen ihre Meinungen oder Dinge, die ich vergessen habe, ergänzen.
Viele Grüsse,
Manuel