[Wikide-l] [OT] Nachschlagewerke im OEM-Markt

Mathias Schindler neubau at presroi.de
Mo Apr 10 08:17:24 UTC 2006


Huhu Kilian,

> 1. Mehrsprachigkeit
> Bei Peripheriegeräten werden stets internationale Inhalte gesucht, also
> mehrsprachige. Die Software der Digibib wäre zwar in mehreren Sprachen
> bereitstellbar, was jedoch fehlt, wäre der Inhalt aus den div. Ländern, bzw.
> eine Person/Gruppe/Institution/was auch immer, mit der/dem über eine
> derartige Realisierung gesprochen werden kann.

Die deutschsprachige Wikipedia ist in der glücklichen Situation, daß sie 
einen Verlag in Berlin hat, der mit ihr gemeinsam solche Projekte wie 
die CD, die DVD oder jetzt Wikipress (und bitte auch WP 1.0, wenn es 
möglich ist/wird) durchzieht.

Die Arbeit, die in Berlin und anderswo in diese Projekte gesteckt wird, 
fließt zur Wikipedia zurück, teilweise auch über indirekte Wege. Die 
Personendaten, die je primär erstmal wegen der zweiten Ausgabe in 
Wikipedia eingebaut wurden, haben es uns ermöglicht, mit der Deutschen 
Bibliothek zusammenzuarbeiten, was die PND angeht (Jakob hat da ja schon 
Pläne, wie es weitergehen soll). Vlados Parser hat eine vierstellige 
Zahl an Fehlern in den Artikeln in der Mediawiki-Syntax gefunden. Die 
Konvertierung hat deutlich gemacht, daß "auf schön" getrimmte Rahmen und 
Tabellen der Nutzbarkeit der Inhalte abträglich sind. Und so weiter. 
Die, die näher an der Umsetzung waren, werden da noch mehr dazu erzählen 
können.

All diese Erfahrungswerte sind bislang kaum in andere Sprachen 
transportiert worden. Unter anderem deshalb, weil es keinen Bedarf gibt, 
weil dort niemand so richtig den Hintern hochbekommt. Auf [Wikien-l] 
wird gerade über dieses CD-Projekt diskutiert, wo leute 2000 Artikel aus 
der Wikipedia herausgezogen haben.

Je länger sich die Sache hinzieht, desto eher kann ich offen sagen, daß 
die französischen Wikipedianer wohl keine so gute Wahl mit den Leuten 
von Mandrake/jetzt -driva hatten. Da ist bis heute nichts (für kleine 
Werte von Nichts) geschehen.

Es "kann" sein, daß es eine andere Mentalität ist, warum es keinen 
Bedarf für solche Projekte in UK, US, FR oder ES gibt, aber das 
bezweifle ich.

Sicher, das mündet am Ende vielleicht in ein Henne-Ei-Problem, aber 
solange die englischsprachigen Wikipedianer nicht ein so schönes Los 
ziehen wie wir, wird sich da über diese Schiene wenig tun.

> 
> 2. Rechtsicherheit (Das eigentliche Killerkriterium)
> Alle Gespräche endeten abrupt an dem Punkt, wo ich den Interessenten
> eröffnete, dass sie im Zweifelsfalle niemand von rechtlichen Anfechtungen
> (Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, Markenrecht etc.) freistellen kann.
> Dieser Punkt ist für die OEM-Leute völlig inakzeptabel. 

Auch hier gilt: Die directmedia-Projekte haben nach meiner Einschätzung 
sehr sehr positiv dazu beigetragen, daß die Frage der Urheberrechte 
ernst genommen wird. Einzelpersonen wie KG haben das Thema auch massiv 
nach vorne gebracht, das soll jetzt keine Priorisierung sein.

Ein DVD-Projekt könnte diese Aspekte übrigens auch befördern, weil es 
zum ersten Mal die Notwendgkeit schafft, zu einem gewissen (zur Not 
verschiebbaren) Tag hin Klarheit über den Status eines Bildes zu erlangen.

Angenommen, es gäbe einen freien Converter und eine freie Lesesoftware 
(nein, ich habe digibux nicht vergessen, ich bin ja teilweise schon bei 
der Installation der passenden Gnustep-Version ins Staucheln gekommen), 
dann wären übrigens auch mal eben Kleinstauflagen und Zwischenstände als 
ISO erzeug- und verteilbar. Das Risiko bliebe beherrschbar, weil im 
Zweifel einfach nur ein "rm 
Wikipedia-en-technology-preview-2006-06-01.iso" fällig wäre.


> So sehr ich es respektiere, wenn jemand eine gute Software entwickeln kann,
> erst recht eine bessere als die Digibib, so befürchte ich doch, dass dies im
> Verhältnis zur Lösung des inhaltlichen Problems ein Klacks ist.

Digibib nutze ich hier gerne und viel. Vor allem die Plus-Funktionen 
sind unschlagbar. Wer mir der Software umgehen kann, wird damit seinen 
Spaß haben und seine Informationen erhalten.

Dass es neben einer Software noch weitere, schwerere Probleme gibt, 
halte ich für eine realistische Einschätzung. In der Reihenfolge, wie 
die Probleme sich stellen, ist es aber vielleicht andersrum.

Es gibt im PDA-Bereich ja bereits erfolgreiche Projekte, Tomeraider und 
Mobilpocket, die für de-wp so langsam an gewisse Größengrenzen stoßen. 
Beam-Bibliothek verkauft nun seit einigen Jahren jeweils neue Versionen. 
Teilweise gibt es die PDA-Lesesoftware auch für Windows-PCs, hier 
existiert eine (wenn auch unfreie) Kette.

> Noch was zur Software:
> Die Digibib-Software selbst war nach meinem Kenntnisstand nie das Hemmnis.
> Würde mich interessieren, wer da genaueres weiß.

Für OEM-Konstrukture war es das nicht. Ich war selbst ja bei einem 
Gespräch dabei, der OEM-Manager wirkte recht angetan von der Software 
und ihren Möglichkeiten.

Da gab es ja übrigens auch einen dritten Punkt, den du noch nicht 
genannt hast: Kapitalismus.

Microsoft bietet für OEMs recht günstige Konditionen an, wenn sie nicht 
nur einzelne Programme, sondern Pakete lizenzieren. Ob nun Encarta 
dazukommt oder nicht, spielt preistechnisch (so wurde es mir gesagt) 
keinen großen Unterschied. Ein OEM müsste, wenn er auf Encarta 
verzichtet, wohl gleich noch Word, die Atlas-Software und die FiBu 
kicken. Im Grunde ist das hier wieder ein gewisses Henne-Ei-Problem, das 
auch jeweils Openoffice, Gnucash (haha :) ) und andere betrifft.

> 
> Allerdings sollte uns bewusst sein, was die OEM-Leute unter einer geilen
> Software verstehen. Hier setzten Brockhaus und Encarta die Maßstäbe, das
> heißt unter anderem schicke durchgestylte Oberflächen, außer Bildern auch
> Ton und Video. Das müsste also auch noch hergezaubert werden...

In puren Zahlen ist der Vorsprung von BMM und MSE hinsichtlich der 
"multimedialen Beigaben" gar nicht mehr so groß. Häufig geht es dann in 
der Software noch mit Tachenspielertricks so, daß die gleichen Bilder an 
mehreren Stellen auftauchen und eine höhere Bilderdichte suggeriert wird 
als beispielsweise in der Wikipedia. Hier "könnte" eine "gute" Software 
natürlich auch ein wenig mit Smoke and Mirrors arbeiten.

Wenn meine Glaskugel mich nicht trügt und die Brockhaus-Manager endlich 
mal Qualität vor Marketing stellten (sofern sie das nicht eh schon tun, 
was ich ja im Grunde für die Kunden hoffe), dann könnte es in künftigen 
Versionen des BMM einen gewissen Innovationsschub gehen.

So beschränkt LeWi ja auch sein mag (siehe Smoke and Mirrors), so sehr 
liessen sich Kunden und mäßige Computerzeitschriften davon blenden, daß 
"ihr computer nun zu ihnen spricht und Fragen beantwortet". Es bliebe 
dann den Linguisten und Fachredakteuren vorbehalten, auf die 
Unterschiede zwischen Werbeslogan, geweckter Erwartungshaltung und 
Realität hinzuweisen. Mit einer x <50% Chance wird es das schon im im 
BMM 2007 geben, mit einer leicht höheren Chance im Jahr danach.


Mathias