[Wikide-l] Schreiber, Sozialarbeiter und Steckenpferdreiter

Henriette Fiebig Henriette.Fiebig at snafu.de
So Jan 16 13:20:12 UTC 2005


Benedikt Zäch wrote:

> Von solchen Autoren hat es immer noch zu wenig hier, da stimme ich Dir 
> freudig zu! Aber Du stimmst mir hoffentlich auch zu, dass dies 
> erfreulich oft nicht nur für Fachwissenschaftler zutrifft. Die Wikipedia 
> mobilisiert eben nicht nur das dumpfe Geschreibe, sondern die Liebe zur 
> Sache, bei allem, und die setzt manchmal (sic, "manchmal" genügt mir 
> schon!) ungeahnte positive Kräfte freisetzt. 

Ich persönlich habe gar nichts gegen Hobbyisten die gute Artikel 
schreiben: Das "wer" ist mir wurscht, das "was" muß stimmen.

> Schon einmal etwas von Arbeitsteilung gehört? Es gibt hier ein Syndrom, 
> das heisst: "Warum-muss-ich-immer-alles-selber-machen?" Es äussert sich 
> vor allem bei jenen, die schon lange dabei sind und ist, meine ich, eine 
> typische Gründerzeit-Mentalität. 

Also "Gründerzeitsyndrom" fällt bei mir aus: Ich bin eher Spätberufener ;).

Ich darf Dir also die Artikel über die mittelalterliche Literatur zur 
Beobachtung übergeben? Oder sollten wir lieber eine Jobbörse einrichten: 
"Suche Mitarbeiter, die meine Beobachtungsarbeit übernehmen"?

Nee, so geht das nicht.

>> Im Grunde schreibe ich Artikel eh' nur, damit _ich_ das später nachlesen
>> kann. Und weil ich das selbst geschrieben habe, weiß ich wenigstens,
>> wieweit ich der Qualität des Artikels vertrauen kann ;) 
> 
> 
> 
> Das ist mal eine ehrliche Beschreibung der Steckenpferdreiterei: "Ich 
> schreibe nur, damit ich mich auch - qualitätsvoll - lesen kann ;-) . 
> Aber auch das hat Platz und ist zudem ein Lustfaktor: sich nur verzehren 
> im Dienste der Sache ist auf die Dauer ermüdend. - Umso besser, wenn 
> sich das private Steckenpferd zugleich mit einem Fachgebiet deckt.

Über mein Fachgebiet schreibe ich nicht mehr, ich kanns nämlich nicht 
ertragen, was da aus Themen gemacht wird, die mir persönlich am Herzen 
liegen. Ich entsinne mich einer Diskussion zur Übersetzung eines 
Gedichtes aus dem Mittelhochdeutschen von Wather von der Vogelweide: Da 
diskutiere ich tagelang mit jemandem, der Mittelhochdeutsch nicht 
studiert und ganz offensichtlich 0 (Null) Ahnung von der Sprache hat und 
der will mir dann erzählen, wie man das korrekt übersetzt. Und ich fange 
an - weil wir haben ja eine so tolle Diskussionskultur und Experten und 
Fachleute sind ja sowieso bäh und müssen sich umständlich rechtfertigen 
- ihm die Grundlagen der Sprache zu erläutern. Was selbstverständlich 
von dem selbsternannten Herrn Experten ignoriert wird, weil der viel 
mehr Ahnung hat und das Walther-Gedicht sowieso für eines der 
allerbesten Werke des Mittelalters hält (und damit natürlich die 
Deutungshoheit innehat). Danke nein. Dafür ist mir meine Zeit zu schade.

_Das_ sind Dinge über die man sich als Fachmann wirklich aufregen kann 
und die einen veranlassen hier die Krise zu bekommen.

Gruß

Henriette
-- 
Dieser visionaere Exzess beleidigte meine Unglaeubigkeit, und so 
beschloss ich, keine Zeit mit diesen Mysterienjaegern zu verlieren, 
sondern mich allein an die zeitgenoessischen Quellen zu halten.

Umberto Eco, Das Foucaultsche Pendel