[Wikide-l] Schreiber, Sozialarbeiter und Steckenpferdreiter

Benedikt Zäch benedikt.zaech at gmx.net
So Jan 16 10:52:38 UTC 2005


Henriette schrieb:

> Vermutlich bin ich auch arrogant, hochnäsig und halte mich für Elite,
> aber wenn ich schon einen Artikel schreibe, weil ich das Lemma für
> wichtig/unverzichtbar/Wissen der Welt halte, dann bemühe ich mich den
> auch von Anfang an schon einigermaßen ordentlich zu schreiben und
> schmiere nicht nur lustlos ein paar Worte hin - vor allem recherchiere
> ich vorher ein paar Stunden oder Tage (und weise meine Quellen dann
> nach!) und übernehme nicht wahllos ein paar Informationen aus dem Netz.
>
Von solchen Autoren hat es immer noch zu wenig hier, da stimme ich Dir 
freudig zu! Aber Du stimmst mir hoffentlich auch zu, dass dies 
erfreulich oft nicht nur für Fachwissenschaftler zutrifft. Die Wikipedia 
mobilisiert eben nicht nur das dumpfe Geschreibe, sondern die Liebe zur 
Sache, bei allem, und die setzt manchmal (sic, "manchmal" genügt mir 
schon!) ungeahnte positive Kräfte freisetzt. Mir ist ein inhaltlich 
kenntnisreicher, formal ungenügender Artikel über ein Thema, von dem ich 
nichts verstehe, fast ebenso wichtig wie ein rundum guter Artikel: Ich 
habe nämlich eine Chance, ihn zu verbessern.

Soviel zum Thema Elite.

> Die Frage ist doch, wie lang man bereit ist, sich das anzutun und
> anzusehen: Andauernd reverten geht nicht. Spätestens dann nicht, wenn
> man Admin ist: Dann geht nämlich sofort das Geschreie von wegen
> Admin-Willkür los. Und ewige Diskussionen führen, nur weil es Leute
> gibt, die auf ihrem unwissenschaftlichen oder persönlichen Standpunkt
> beharren, das kostet einfach nur Zeit und Nerven. Ich möchte Artikel
> _schreiben_ und nicht gegen die Unbelehrbarkeit ankämpfen.

Das bleibt Dir unbenommen. Siehe unten zum Stichwort "Arbeitsteilung" 
und "Gründerzeitsyndrom".

> Ich gebe zu, daß das mein Fehler ist: Ich eben kein Sozialarbeiter, 
> sondern ein
> neugieriger und wissenschaftlich interessierter Mensch. Vermutlich bin
> ich im falschen Projekt, wenn mir die wissenschaftliche und fachliche
> Qualität eines Artikels wichtiger ist, als endlose Metadiskussionen
> darum, ob ein vollkommen veraltetes Buch zum Thema nun als Quelle taugt
> oder nicht? Oder ob es Person XY zuzumuten ist, ihr klar zu sagen, daß
> es sich bei ihrer Meinung schlicht um Quatsch oder WP-untaugliches Zeug
> handelt?

Schon einmal etwas von Arbeitsteilung gehört? Es gibt hier ein Syndrom, 
das heisst: "Warum-muss-ich-immer-alles-selber-machen?" Es äussert sich 
vor allem bei jenen, die schon lange dabei sind und ist, meine ich, eine 
typische Gründerzeit-Mentalität. Für heroische Einzelaktionen ist die 
Wikipedia inzwischen zu gross, die kuscheligen Zeiten, in denen das 
Handvoll Power User die Dinge unter sich ausmachten, sind vorbei und 
kommen nicht wieder. Damit scheinen einige Mühe zu haben.

Dazu gehört auch die ewige, ermüdende (sic) Klage darüber, dass als 
richtig erkannte Massnahmen nicht konsequent umgesetzt würden. Zum einen 
stimmt es nicht (siehe Löschdiskussion etc.), zum andern ist es einfach 
unrealistisch zu glauben, das sei eine Sache von Tagen oder Wochen.

Ich unterschätze nicht das Erschöpfende der immer gleichen 
Grundsatzdiskussionen, das ständige Aufwärmen von bereits diskutierten 
Fragen. Da gibt es nur eine Lösung: Holt mehr Leute an Bord (die Zuwahl 
künftiger Admins wäre hier ein Schlüssel: merkwürdigerweise hat niemand 
auf meine Bemerkung dazu reagiert), die das mittragen, und bildet 
bessere Netzwerke, die das umsetzen. Allerdings kommt man nicht zu 
solchen Leuten mit Kassandrarufen und der ständigen Drohung, den Krempel 
hinzuschmeissen oder einen Fork loszureissen.

> Im Grunde schreibe ich Artikel eh' nur, damit _ich_ das später nachlesen
> kann. Und weil ich das selbst geschrieben habe, weiß ich wenigstens,
> wieweit ich der Qualität des Artikels vertrauen kann ;) 


Das ist mal eine ehrliche Beschreibung der Steckenpferdreiterei: "Ich 
schreibe nur, damit ich mich auch - qualitätsvoll - lesen kann ;-) . 
Aber auch das hat Platz und ist zudem ein Lustfaktor: sich nur verzehren 
im Dienste der Sache ist auf die Dauer ermüdend. - Umso besser, wenn 
sich das private Steckenpferd zugleich mit einem Fachgebiet deckt.

Ich sage es nochmals: Das Potential der Wikipedia ist das real 
existierende Potential. Es ist nicht klein und lässt sich nicht kleinreden.

Mit bestem Gruss

Lullus