[Wikide-l] Re: Wikipedia, Brockhaus & Co.
Christian Thiele
APPER at apper.de
Sa Jan 15 22:37:00 UTC 2005
Henriette Fiebig <Henriette.Fiebig at snafu.de> schrieb am Sat, 15 Jan 2005
06:02:01 +0100:
> [[Heldenbuch]]: seit dem November 2003 (!) praktisch unüberarbeiteter
> Text aus dem Meyers von 1888-1890
... und noch mehr ...
Ich glaube ihr verkennt unsere Kritik an eurer Kritik. Ich persönlich
stimme dir vollkommen zu, dass ich dir und du mir 180.000 Artikel
aufzählen können, die nicht gut sind. Das bestreitet niemand, das ist so.
Aber ich frage mich, was ihr wollt: ihr wollt es ändern, ich weiß. Aber
ändern kann man es nur mit Menschen: vielen engagierten Menschen. Eure
Kritik zielt aber immer darauf, auszusortieren, zu löschen, zu
verkleinern. Damit gewinnt man keine Menschen, man vergrault sie. Man
braucht eine konstruktive Atmosphäre, die hier auf der ML derzeit nicht zu
finden ist. Ich glaube, mit euch geht nur die Ungeduld durch. Die
Wikipedia wird nie fertig sein, sie wird ständig wachsen, sich verändern.
Wenn wir eure Kritik nicht teilen, dann nicht den Fakt, dass es viel zu
viele schlechte Artikel gibt, sondern den Fakt, dass ihr Vorschläge zur
Veränderung macht, die nicht haltbar sind. Wir sind uns glaube ich einig,
dass die ideale Wikipedia so aussehen würde, dass engagierte Personen
ausschließlich damit beschäftigt sind gute Artikel zu verfassen,
konstruktiv über diese zu diskutieren und gegenseitig zu verbessern. Ich
glaube, um das Ziel einer gern zitierten "Wikipedia 1.0" zu erreichen,
bräuchte man selbst in diesem Fall mehrere Jahre und mehrere hundert
Personen, die so engagiert arbeiten. Die haben wir aber nicht, und daher
können wir es uns einfach nicht erlauben, mit der Schere anzusetzen, wie
ihr es größtenteils fordert. Die Wikipedia trägt nicht ohne Grund den
Begriff "Wiki" im Namen und nur durch diese Freiheit - die natürlich auch
Probleme bringt - ist die Wikipedia zu dem geworden, was sie heute ist.
Jegliche euer Vorschläge zielt in gewissem Maße auf eine Einschränkung hin
oder aufs Vergraulen von potentiellen Schreibern. Das sind einfach keine
konstruktiven Vorschläge, weil jeder sehen sollte, dass dies über kurz
oder lang das Ende bedeuten würde. Wir haben einfach zu wenige Mitarbeiter
um uns so etwas leisten zu können.
Zudem: das letztens von Uli gebrachte Beispiel "Interview" hat mir
gezeigt, dass er sicher genauso den Brockhaus kritisieren würde, wenn es
ihm dort nicht mehr gefallen würde. Denn der Wikipedia-Artikel und der des
Brockhaus (19. Auflage) ähneln sich in Inhalt und Länge extrem, höchstens
die Knappheit der Brockhaus-Sätze ohne Objekte lässt den Unterschied
erkennen. Und darum geht es: die Wikipedia hat fast ausschließlich
Artikel, die nicht perfekt sind aber die Praxis zeigt, dass sie sehr gut
einsetzbar ist und zwar - und damit will ich noch den Vergleich ansprechen
- nicht in Konkurrenz zum Brockhaus, sondern in Ergänzung zu diesem. Wenn
man die Wikipedia nutzt und nicht nur das Schlechte sucht, merkt man, dass
man einfach zu oft genau das findet, was man sucht, auch wenn es nur ein
mies geschriebener Artikel ist. Zudem verbessert sich die Qualität
tagtäglich um wenige Bruchteile einer Promille, aber wer geglaubt hat, die
Wikipedia wird Ende 2005 als fertiges Werk vorgelegt hat meiner Meinung
nach sowieso nie die Realität erkannt.
MfG
Christian Thiele