[Wikide-l] Der elitäre Kram und die Masse (der Benutzer und Artikel)

Benedikt Zäch benedikt.zaech at gmx.net
Di Jan 11 21:29:59 UTC 2005


Die Diskussion, die zu erlahmen oder in unvereinbaren Positionen zu 
erstarren drohte, ist nochmals, wenn ich recht sehe, pragmatisch in Gang 
gebracht worden (vor allem durch Beiträge von Bernd - A. Conz, Rainer 
Zenz und mijobe sowie zusätzliche Einlassungen anderer).

Ich lerne daraus, dass

a) ein Entwurfsraum angeblich nicht gehen soll: ein Instrument mehr 
unter bereits (zu) vielen, nicht praktikabel, durch die schiere Masse
alle Kanäle verstopfend und zusätzlichen Overhead und administrativen 
Aufwand auslösend,

b) eine technische Lösung mal befürwortet, mal abgelehnt wird, und beide 
Male mit demselben Argument: dass hinter dem Problem soziale Gründe 
stünden, die es abzudämpfen (technische Lösung) oder anders, eben sozial 
anzugehen seien (soziale Lösung),

c) einerseits strikte Härte (Uli F.) und andererseits moderierende 
Vermittlung gewünscht und allenthalben beklagt wird, es fehle an einem  
(weitgehend) gemeinsamen Effort einer Gruppe von Admins/erfahrenen 
Usern, für richtig befundenen (Qualitäts)Kriterien zum Durchbruch 
zuverhelfen. Dabei fällt mir auf, dass einige, die besonders laut danach 
rufen, es offenbar so meinen, *sie* sollen in *ihren* (also letztlich 
individualistischen und einzelkämpferischen) Bemühungen gestärkt werden.

Ich kann nicht beurteilen, ob hier zum wiederholten Male dieselbe alte 
Diskussion geführt wird, aber ich würde Rainer Zenz zustimmen, dass die 
Situation sich jetzt wohl in einer Art Kippeffekt stark, um nicht zu 
sagen, grundlegend verändert hat. Es ist offensichtlich schlicht und 
einfach nicht mehr möglich, dass selbst eine sehr engagierte Schar von - 
sagen wir, 50-100 erfahrenen Benutzern (es dürften in Wirklichkeit 
weniger sein) - die Qualitätssicherung gewissermassen im Alleingang machen.

Die Expertise (aller, die solche haben, nicht nur der Fach-Experten!) in 
Arbeitsgruppen, Peergroups oder Moderatoren zu bestimmten Themen zu 
bündeln, stösst bei vielen auf Skepsis oder heftige Ablehnung; die 
"Freiheit" des Projekts sei gefährdet, gar das Modell selbst. *Ist nicht 
beides mehr in Gefahr durch das ausser Kontrolle befindliche Wachstum 
mit all seinen Folgen (Unübersichtlichkeit, Qualitätssenkung etc.)?*

Aus meiner bescheidenen Erfahrung heraus sind die Löschanträge 
tatsächlich recht wirkungsvoll: entweder verbessern und damit retten 
oder ab in den Orkus. Ich sehe nicht ganz ein, weshalb nicht eine Art 
Vorraum dazu keinen Sinn machen soll: auf die Seite (d.h. für den Leser) 
aus dem Artikelraum genommen, aber noch nicht zur Löschung verurteilt. 
Die Masse der unbrauchbaren Artikel bekommt man damit nicht in den Griff 
(deshalb erübrigen sich abschreckende Zahlenspiele), aber gewiss einen 
wesentlichen Teil davon, wesentlich im Sinne der Qualität, nicht der Masse.

Die Masse ist das Lähmende: Das Problem hat, wie es scheint, Dimensionen 
angenommen, die nur mit (noch?) nicht konsensfähigen Lösungen zu 
bekämpfen wären. Auch da lerne ich, dass es dazu zwei (oder drei) 
Verhaltensweisen gibt:

a) Untergangsstimmung: es ist zu spät, oder höchstens könnte man das 
Ruder mit autoritären Kraftakten herumreissen
b) Sei geduldig: es gibt keinen Redaktionsschluss und die Wikipedia wird 
(auch) nicht an einem Wochenende errichtet
c) Ich habe es ja schon immer gesagt: Aber die anderen wollen ja nicht 
hören, bis ich recht bekomme und das gemacht wird, was ich richtig finde.

Soll ich daraus den Schluss ziehen, das sei die Beschreibung eines 
Scheidewegs und viele stünden nun unentschlossen an der Gabelung herum, 
die Schilder lesend, die in verschiedene Richtungen zeigen? Ich ziehe es 
da vor, an Artikeln zu arbeiten, wo die eine Ausbesserung den nächsten 
Korrekturgang an einem weiteren Artikel auslöst usw.: viele neue Gabelungen.

Es grüsst

Lullus