[Wikide-l] URV und Buchfotografieren
Agon S. Buchholz
asb at kefk.local
Fr Feb 18 15:21:46 UTC 2005
Anathema wrote:
> IANAL. Trotzdem: Der "Aufwand" wird ja immer wieder gerne ins Feld
> geführt. Aber ist das Schlüsselwort des Urheberrechts nicht
> "Schöpfungshöhe"? Nur so ein Gedanke...
Wieder einmal haben wir festgestellt, dass nicht nur private
Rechteverwerter zunehmend angebliche Rechte verteidigen, sondern auch
öffentlich finanzierte Einrichtungen; vor einigen Monaten haben wir das
durchdiskutiert am Beispiel von Fotografien aus Museumsbeständen (z.B.
Eriks Vorschlag der "Guerrilla-Fotografie"), jetzt kam die Thematik
wieder auf am Beispiel von Digitalisierungsprojekten gemeinfreier Werke.
Die Muster sind in beiden Fällen ähnlich: Es geht um Werke, die nicht
mehr durch das eigentliche Urheberrecht geschützt sind, weil die Urheber
seit hunderten oder gar tausenden von Jahren verstorben sind, deren
Schöpfungen aber durch allerhand juristische Konstrukte wieder dem
öffentlichen Besitz entzogen werden sollen. Das funktioniert eben so
lange und wird sich auch ausweiten, wie sich niemand dagegen wehrt; wenn
die Positionen der angeblichen Rechteinhaber und der Rechtenutzer
diametral entgegengesetzt sind, gibt es nur einen Weg der Klärung: Vor
Gericht.
Wie immer laufen Diskussionen um die Handhabung des Urheberrechts auf
dieser Mailingliste auf die Frage hinaus, ob Wikipedia ein Interesse
daran hat und bereit dazu ist, die Grenzen des Urheberrechts auszuloten.
Folgende Positionen haben sich dazu herauskristallisiert:
1. Pragmatische Handhabung und "vorauseilender Gehorsam": Keine
Konflikte riskieren, nur Inhalte nutzen, deren Nutzungsgenehmigung
unproblematisch ist; eher auf Inhalte verzichten als Risiken eingehen,
kein offensives Knabbern an der aktuellen Sitation; kein Beziehen einer
expliziten politischen Position; das dürfte wohl der breiteste Konsens sein.
2. Pragmatisch die Grenzen ausloten: Keine plakativen Positionen
beziehen, aber Grenzen des Urheberrechts offensiv ausloten; keine
Konflikte provizieren, aber Konflikten ggf. auch nicht aus dem Weg gehen
(so verstehe ich etwa die Haltung von Vlado und Directmedia und
vielleicht auch die von Lars).
3. Wikipedia als Dolch der Commons: Wikipedia und andere
Mediawiki-Projekte zur Speerspitze der "Commons"-Bewegung ausbauen;
gegegn unmoralische Beanspruchung von Rechten an öffentlichen
Kulturgütern offensiv vorgehen; evl. als Projekt offiziell einen
politischen Standpunkt beziehen; ggf. auch Konflikte gezielt
provizieren, um eine Klärungherbeizuführen (in der Richtung würde ich
Erik am ehesten verorten).
4. Fundamentalkritik an Handhabung der Verwertungsrechte: Ansprüche
können zwar behauptet werden, sind aber rechtlich fraglich und könnten
vor Gericht keinen Bestand haben (so verstehe ich die Position von Klaus
Graf); unklar ist mir allerdings, was uns ein solcher akademischer
Standpunkt konkret für die Wikipedia nutzen soll.
So sehe ich das aktuelle Handlungsspektrum; derzeit arbeitet Wikipedia
m.E. nach Modell 1; die Frage ist also, wie wir uns zu Modell 2 und 3
(in welchen Variationen auch immer) stellen wollen.
MfG -asb