[Wikide-l] URV und Buchfotografieren

Klaus Graf klaus.graf at geschichte.uni-freiburg.de
Fr Feb 18 15:50:44 UTC 2005


On Fri, 18 Feb 2005 16:21:46 +0100
 "Agon S. Buchholz" <asb at kefk.local> wrote:
> Anathema wrote:
> 
> > IANAL. Trotzdem: Der "Aufwand" wird ja immer wieder
> gerne ins Feld
> > geführt. Aber ist das Schlüsselwort des Urheberrechts
> nicht
> > "Schöpfungshöhe"? Nur so ein Gedanke...
> 
> Wieder einmal haben wir festgestellt, dass nicht nur
> private Rechteverwerter zunehmend angebliche Rechte
> verteidigen, sondern auch öffentlich finanzierte
> Einrichtungen; vor einigen Monaten haben wir das
> durchdiskutiert am Beispiel von Fotografien aus
> Museumsbeständen (z.B. Eriks Vorschlag der
> "Guerrilla-Fotografie"), jetzt kam die Thematik wieder
> auf am Beispiel von Digitalisierungsprojekten
> gemeinfreier Werke.
> 
> Die Muster sind in beiden Fällen ähnlich: Es geht um
> Werke, die nicht mehr durch das eigentliche Urheberrecht
> geschützt sind, weil die Urheber seit hunderten oder gar
> tausenden von Jahren verstorben sind, deren Schöpfungen
> aber durch allerhand juristische Konstrukte wieder dem
> öffentlichen Besitz entzogen werden sollen. Das
> funktioniert eben so lange und wird sich auch ausweiten,
> wie sich niemand dagegen wehrt; wenn die Positionen der
> angeblichen Rechteinhaber und der Rechtenutzer diametral
> entgegengesetzt sind, gibt es nur einen Weg der Klärung:
> Vor Gericht.
> 
> Wie immer laufen Diskussionen um die Handhabung des
> Urheberrechts auf dieser Mailingliste auf die Frage
> hinaus, ob Wikipedia ein Interesse daran hat und bereit
> dazu ist, die Grenzen des Urheberrechts auszuloten.
> 
> Folgende Positionen haben sich dazu herauskristallisiert:
> 
> 1. Pragmatische Handhabung und "vorauseilender Gehorsam":
> Keine Konflikte riskieren, nur Inhalte nutzen, deren
> Nutzungsgenehmigung unproblematisch ist; eher auf Inhalte
> verzichten als Risiken eingehen, kein offensives Knabbern
> an der aktuellen Sitation; kein Beziehen einer expliziten
> politischen Position; das dürfte wohl der breiteste
> Konsens sein.
> 
> 2. Pragmatisch die Grenzen ausloten: Keine plakativen
> Positionen beziehen, aber Grenzen des Urheberrechts
> offensiv ausloten; keine Konflikte provizieren, aber
> Konflikten ggf. auch nicht aus dem Weg gehen  (so
> verstehe ich etwa die Haltung von Vlado und Directmedia
> und 
> vielleicht auch die von Lars).
> 
> 3. Wikipedia als Dolch der Commons: Wikipedia und andere
> Mediawiki-Projekte zur Speerspitze der "Commons"-Bewegung
> ausbauen; gegegn unmoralische Beanspruchung von Rechten
> an öffentlichen Kulturgütern offensiv vorgehen; evl. als
> Projekt offiziell einen politischen Standpunkt beziehen;
> ggf. auch Konflikte gezielt provizieren, um eine
> Klärungherbeizuführen (in der Richtung würde ich Erik am
> ehesten verorten).
> 
> 4. Fundamentalkritik an Handhabung der Verwertungsrechte:
> Ansprüche können zwar behauptet werden, sind aber
> rechtlich fraglich und könnten vor Gericht keinen Bestand
> haben (so verstehe ich die Position von Klaus Graf);
> unklar ist mir allerdings, was uns ein solcher
> akademischer Standpunkt konkret für die Wikipedia nutzen
> soll.
> 
> So sehe ich das aktuelle Handlungsspektrum; derzeit
> arbeitet Wikipedia m.E. nach Modell 1; die Frage ist
> also, wie wir uns zu Modell 2 und 3 (in welchen
> Variationen auch immer) stellen wollen.

Das ist eigentlich eine - soll nicht goennerhaft klingen -
gute Analyse, die durch den Verzicht auf den persoenlichen
Seitenhieb gegen mich nur gewonnen haette. Ich kann
aufgrund der eigenen Wahrnehmung meiner Position und meiner
wiederholten Publikationen zum Thema ausserhalb der
Wikipedia (siehe auch [[Klaus Graf]]) nicht erkennen,
welchen Sinn die Unterscheidung zwischen 2/3 (fliessende
Uebergaenge zwischen 2 und 3) und 4 hat. Es ist nichts als
eine niedertraechtige Unterstellung, mein Engagement fuer
Open Access und Creative Commons (und last but not least
fuer die Wikipedia), die sich im Rahmen der bestehenden
Urheberrechtsordnung bewegen, mit dem Etikett
"Fundamentalkritik" zu versehen.

Wer fuer eine reiche Public Domain und freie Inhalte
eintritt, muss natuerlich fundamentale Kritik am
zunehmenden Wegsperren von gemeinfreiem Kulturgut, dessen
Abbildung zur digitalen Allmende zaehlen sollte, ueben.
Solange die Gegenseite nicht kompromissbereit ist und auf
ihre Rechts- und Verguetungsansprueche pocht, ohne auch nur
ein CC-NC (ich weiss, fuer uns derzeit nicht brauchbar) zu
spendieren, halte ich es fuer keine gute Idee, dem
Mainstream zu folgen und Kritik wie viele Fachkollegen nur
hinter vorgehaltener Hand zur Sprache zu bringen.

Wenn die Wikipedia im Interesse ihrer LeserInnen ihren Job
gut machen will (und ich wuerde dann mal eher INHALTE als
frei betonen), muss sie von Position 1 wegkommen und zu 2
oder 3 wechseln, finde ich.

Klaus Graf