[Wikide-l] Review - Versionsnummern

elwp at gmx.de elwp at gmx.de
So Dez 5 19:16:28 UTC 2004


Scheweks Idee zur Versionskennzeichnung finde ich prinzipiell
ganz gut, schaden kann eine solche Funktion jedenfalls nicht.
Eine andere Sache ist, diese Funktion in die Software zu
bringen. Da wird man erstmal die Benutzer anderer Sprachversionen
und dann die Entwickler überzeugen müssen.

Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass nun plötzlich,
nur weil die Leser die Möglichkeit bekommen, geprüfte Versionen
zu sehen, die Mitarbeiter viel stärker motiviert sind, solche
Reviews durchzuführen. Momentan wird täglich etwa ein neuer
"exzellenter" Artikel produziert. Wieviele Artikel täglich
erfolgreich einen Reviewprozess durchlaufen (ohne danach
"exzellent" zu sein), überblicke ich nicht ganz. Das scheinen
aber auch höchstens 5-10 zu sein. Da muss man sich doch fragen,
wann "Version 1.0" fertig sein wird.

Ein sehr ambitioniertes Ziel wäre, diese Version in einem Jahr
fertig zu haben. Beim gegenwärtigen Wachstum gibt es bis dahin
wahrscheinlich etwa 350.000 Artikel. Das bedeutet, jeden Tag
müssten etwa 1.000 Artikel geprüft werden, also 100 bis 1.000
mal so viele wie heute.

Mindestens müssten aber täglich so viele Artikel geprüft werden
wie neue hinzu kommen, also z.Z. etwa 400, wenn man irgendwann
mal alle geprüft haben will.

Wikipedia hat außerdem den Anspruch, aktueller zu sein als
herkömmliche gedruckte oder auf CD/DVD gepresste Enzyklopädien.
Wie ist es vereinbar, gleichzeitig aktuelle und geprüfte
Informationen anzubieten? Wenn man den herkömmlichen
Enzyklopädien nicht hinterher laufen will, muss man wohl jeden
Artikel mindestens einmal im Jahr prüfen. Eine begrenzte Zahl
von notwendigen Reviews pro Tag erhält man dann natürlich nur,
wenn man die Menge der regelmäßig zu prüfenden Artikel
einschränkt. Wenn man also 100.000 oder 200.000 "Kernartikel"
definiert, kann man mit 274 bzw. 546 täglich zu prüfenden
Artikeln rechnen.

Wie auch immer man rechnet, es wären viel mehr Reviews nötig als
die Leute (sehr wahrscheinlich) bereit sind durchzuführen. Das
ist an sich auch kein Wunder, denn es ist ja viel leichter, einen
Artikel anzulegen und etwas daran herumzufrickeln, als den
Artikel eingehend zu prüfen und aufzupolieren, was ja bedeutet,
dass mehrere Leute, die auch zumindest eine gewisse Grundahnung
vom Thema haben, alle Fakten prüfen, Fehlendes ergänzen, die
Lesbarkeit erhöhen, das Artikelumfeld überprüfen und ggf.
Einheitlichkeit herstellen, usw., und dabei auch noch ständig
miteinander diskutieren und schlimmstenfalls auch noch
entgegengesetzte Meinungen unter einen Hut bringen müssen.

Ich glaube deshalb nicht, dass sich mit den Reviews, so wie sie
heute durchgeführt werden (und Scheweks Vorschlag weicht davon
kaum ab), an der gegenwärtigen Situation viel ändern wird, und
die sieht aus der Leserperspektive so aus: Wenn der Leser
Erklärungen zu einem Begriff sucht, wird er mit einer
Wahrscheinlichkeit von 1 bis 2 Promille auf einen Artikel
stoßen, der ziemlich gut und verlässlich ist und als "exzellent"
gekennzeichnet ist. Die anderen Artikel sind mal sehr gut und
mal sehr schlecht, und der Leser muss selbst einschätzen, womit
er es zu tun hat. Diese Situation verbessert sich auch dann
nicht grundlegend, wenn 1 bis 2 Prozent oder sogar 10 bis 20
Prozent der Artikel gut und verlässlich und als solche markiert
wären. Viel wichtiger als die Ausweitung der besten Artikel ist
meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt die Verbesserung der
Masse der mäßigen und schlechten Artikel, so dass jeder Artikel
in einer geprüften Version zumindest einen Mindeststandard
erreicht.

Damit die Benutzer von einer solchen Basisprüfung möglichst
häufig Gebrauch machen, muss sie ebenso einfach wie das Ändern
der Artikel sein und möglichst vielen Leuten zur Verfügung
stehen. Ich habe auch einen konkreten Vorschlag, der evtl.
parallel zu Scheweks Versionskennzeichnung laufen könnte:

* Jeder angemeldete Benutzer kann einzelne Versionen bewerten,
  nach verschiedenen Kriterien: vandalisiert oder nicht, Fakten,
  Vollständigkeit, Neutralität, Einbettung in das Artikelumfeld;
  außerdem vielleicht noch eine Selbsteinschätzung des
  Verhältnisses des Prüfers zum Thema: mehrere Stufen von
  "keine Ahnung" bis "Experte".

* Jede Bewertung wird zusammen mit dem Benutzernamen einzeln
  gespeichert.

* Ein Leser kann bestimmen, dass er nur die letzte Version
  angezeigt bekommt, die einem gewissen Mindeststandard
  genügt. Z.B. könnte er verlangen, dass mindestens zwei
  Benutzer (oder auch nur ein Benutzer) meinen, dass die Fakten
  etc. stimmen.

* Welche Benutzer als Prüfer akzepiert werden, kann der
  Leser selbst bestimmen. Dafür könnte man das bereits
  existierende "Vertrauensnetz" verwenden. Aus den
  Informationen, wer wem vertraut bzw. misstraut, kann man auch
  für nicht angemeldete Benutzer oder solche, die keine Lust
  haben, alle möglichen Leute zu bewerten, eine recht
  verlässliche globale Liste von Benutzern bestimmen, die
  zumindest gutwillig und nicht allzu inkompetent sind.

Mir ist bewusst, dass mein Vorschlag mindestens ebenso weit von
einer Realisierung entfernt ist wie der von Schewek.

Mein Vorschlag geht offenbar in eine ganz andere Richtung als
Ulrichs Vorstellungen, was aber nicht bedeutet, dass man ein
solches Konkurrenzprojekt nicht auch mal probieren sollte. Die
Wikipedia, in der jeder planlos herumwerkeln kann, benötigt
vermutlich ganz andere Mechanismen um zum Ziel zu kommen als
ein Projekt, bei dem jeder einzelne das Ziel im Auge hat, bevor
er mit der Arbeit beginnt.

El, ...

-- 
GMX ProMail mit bestem Virenschutz http://www.gmx.net/de/go/mail
+++ Empfehlung der Redaktion +++ Internet Professionell 10/04 +++