[Wikide-l] Vereinskommunikation und Wikimedia-Folklore

Frank Schulenburg frank.schulenburg at gmail.com
Di Jul 8 09:42:53 UTC 2008


Hallo allerseits,

der in den letzten Jahren bei weitem am häufigsten genannte
Kritikpunkt an der Arbeit von Wikimedia Deutschland ist die
Kommunikation. Auch in den vergangenen Tagen ist dieses Thema in
verschiedenen Diskussionsfäden dieser Liste aufgetaucht. Schon seit
längerer Zeit habe ich den Eindruck, dass der immer wieder geäußerte
Vorwurf "Der Verein (gerne auch: die Foundation) informiert so
schlecht" sich mit den Jahren zu einer spezifischen Form der
Wikimedia-Folklore entwickelt hat. Ein Vorwurf, der zu einem festen
Bestandteil der Diskussionstradition geworden ist, nicht mehr
hinterfragt wird und aus keinem Gespräch über den Verein wegzudenken
ist.

Traditionen verbreiten immer eine gewisse Wärme des Vertrauten und
trete hier nicht an, irgendjemandem die wohlige Wärme dieser ganz
spezifischen Wikimedia-Folklore zu nehmen. Einige Fakten möchte ich
aber dennoch in die Diskussion werfen:

1. Der Verein kommuniziert schlecht

Gleichen wir die Behauptung doch mal mit den Fakten ab: Im letzten Jahr

* wurde ein eigenes Wikimedia-Blog geschaffen
(http://blog.wikimedia.de), das nahe am Geschehen von den wichtigsten
Ereignissen berichtet und das auch Nicht-Vorstandsmitgliedern offen
steht

* wurde der Wikimedia-Newsletter reaktiviert, der 2007 in drei
hochinformativen, übersichtlichen und optisch gut gestalteten Ausgaben
erschien

* wurden alle bisher erschienenen Newsletter in einem Archiv
öffentlich zugänglich gemacht (dazu:
http://blog.wikimedia.de/2008/03/11/wikimedia-offnet-newsletter-archiv/)

* wurde auf den verschiedensten Kanälen kommuniziert. Neben dem
bereits erwähnten Newsletter und dem Blog waren dies die beiden
Mailinglisten (VereinDE-l und WikiDE-l), der Kurier und die Seite
"Fragen zur Wikipedia"

* wurden Wikipedianer zu einem "Tag der offenen Tür" eingeladen (eine
Einladung, der bezeichnenderweise niemand nachgekommen ist)

* fand der erste "Communitytag" in Frankfurt am Main statt, der
explizit dem Austausch von Vereins- und Communitymitgliedern diente
und zu dem auch Nicht-Vereinsmitglieder herzlich eingeladen waren.

Hinzu kommt, dass der Vereinsvorstand wohl noch nie so viel Energie in
seinen Jahresbericht gesteckt hat, wie in diesem Jahr. Der Bericht ist
informativ, optisch ansprechend gestaltet und gibt vor allem den
Spendern einen ausgezeichneten Einblick, wofür die Gelder verwendet
werden. Kurzum: Das Ergebnis kann sich sehen lassen - und das ist auch
gut so.

Um ein Zwischenfazit zu ziehen: ich bin persönlich in einer Reihe von
Vereinen aktiv. Kein anderer nutzt so viele Kommunikationskanäle und
hält mich so gut über die Geschehnisse auf dem laufenden wie Wikimedia
Deutschland. Kein anderer wird gleichzeitig so stark für seine
schlechte Kommunikation gerügt.

2. Die Foundation: noch schlimmer als der Verein?

Gestern hieß es, dem deutschen Verein Geld zu spenden, sei schließlich
besser "als dass das Geld irgendwohin nach Amerika fließt wo es
irgendwo versickert". Der "amerikanische Verein" sei "vielen zu
untransparent".

Hier zeigt sich das selbe "Wir sind sooo schlecht
informiert"-Argumentationsmuster. Wer die Entwicklung insbesondere des
letzten Jahres mitverfolgt hat, reibt sich auch hier verwundert die
Augen. Hat ja die Foundation seit dem Amtsantritt von Sue Gardner
verstärkt auf Transparenz gesetzt. Zudem hat genau vor sieben Tagen
die Foundation ihren Jahresplan für 2008/2009 vorgelegt und dies auch
öffentlich kommuniziert:

http://lists.wikimedia.org/pipermail/foundation-l/2008-July/044462.html

Da gibt es eine genaue Auflistung, welche Ziele sich die Foundation
für das kommende Jahr gesetzt hat und zu welchen Zwecken die Einnahmen
2008/2009 verwendet werden sollen. Eine eigene Seite mit Fragen und
Antworten erleichtert den Einstieg ins Thema. Was also bleibt auch bei
der Foundation übrig von dem Vorwurf der Intransparenz? Oder folgt der
Vorwurf womöglich der gleichen Traditionslinie, von der auch der
deutsche Verein betroffen ist?

Eine Schlussbemerkung sei mir noch erlaubt: die immer wieder an die
Wand gemalte Distanz zwischen "Community" und "Verein" ist seit der
Gründung des Vereins mehr und mehr zusammengeschmolzen. Aus der Ferne
ist eine Nähe geworden: von den mittlerweilen mehr als 420
Vereinsmitgliedern gehört ein erheblicher Anteil der Gruppe an, die
ich persönlich als "Kerncommunity" bezeichnen würde. Das war vor zwei
Jahren noch anders. Sicherlich: eine vollständige Deckungsgleichheit
zwischen beiden Grupen gibt es nicht und wird es nie geben - wer heute
vom Verein spricht, meint damit aber schon längst nicht mehr das
kleine Grüppchen, das es noch vor Jahre war, sondern eine wachsende
Zahl von Mitgliedern jener Kerncommunity, die Wikipedia maßgeblich
trägt und voranbringt.

Herzliche Grü0e
Frank