[Wikide-l] Die Leiden der jungen Schweizerin

Bjoern Hoehrmann derhoermi at gmx.net
So Nov 29 22:52:59 UTC 2009


* Henriette Fiebig wrote:
>Doch, doch: Die Regel steht sogar sehr ausführlich im Metabereich und  
>dort ist auch erklärt, warum es sie gibt; man muß sie nur finden –  
>typisches Problem. Und um sie zu finden – _noch_ typischeres Problem –  
>muß man die Terminologie der Wikipedia beherrschen. In WP heißt das  
>nämlich Selbstdarstellung.

Dort steht keine überzeugend begründete Regel, dort steht ein sehr in-
konsequenter Rat der im Wesentlichen nicht begründet ist (man soll le-
diglich warten bis jemand anders einen Artikel einstellt bevor man ak-
tiv wird weil man angeblich die Relevanz schlecht einschätzen kann).

Eine Regel stellt sich selbst klar als Regel da, ist konsequent formu-
liert, und eine Begründung knüpft zunächst am Denkprozess des Lesers,
und stellt dann die wesentlichen Gegenargumente dar; und wenn nötig,
wird anschliessend auf Ausnahmen verwiesen. Also eher etwas wie:

  Grundregel: Nur neu geschriebe Texte! Vorveröffentlichte Texte wie
  <Beispiele> dürfen nicht direkt in Artikel in der Wikipedia einge-
  arbeitet werden, sondern müssen von Grund auf neu formuliert werden.
  Während <Argumente solche Texte reinzukopieren, ala Arbeitserspar-
  nis> verursacht das <Probleme> so dass <die vermuteten Vorteile in
  der Praxis durch die Probleme aufgehoben werden>. Ausnahmen wie die
  Verwendung von Zitaten werden unter <Verweis> besprochen. Weitere
  Erklärungen und Informationen sind unter <Verweis> nachzulesen.

Sowas vernünftig zu formulieren ist natürlich schwierig und in ein
paar Minuten nicht zu leisten. Aber würde wohl in diese Richtung gehen:

  Grundregel: Nur unabhängige Autoren! Personen die am Gegenstand
  eines Artikels in besonderer Weise beteiligt sind wie <Beispiele>
  sollten diese Artikel nicht bearbeiten. Während <pro>, <contra>.
  In solchen Fällen <alternative Handlungsmöglichkeiten, ala Notiz
  auf der Diskussionsseite, Artikelkommentare wie es sie in der pol-
  nichen Wikipedia gibt, Kontakt mit OTRS aufnehmen>. <Verweise>.

"Es ist besser zu warten, bis ein anderer den Artikel schreibt" ist
keine Regel, und offenbar gibt es auch keinen Konsens über einen
praktischen Verbot der "Selbstdarstellung" trotz all der Probleme zu
dem diese regelmässig führen. Der Ansatz hier wäre erstmal eine Zu-
sammenstellung der Probleme zu machen und die in den Artikel einzu-
arbeiten (vom Dilemma der Praktikantin über die Versuchung Sachen aus
der Werbebroschüre ohne "Freigabe" zu kopieren bis hin zum Skandal
wenn jemand ein Jahr später mal den Wikiscanner anwirft).

(Eventuell macht es auch Sinn, das Problem aus einer anderen Perspek-
tive darzustellen. Wer seine Interessen in die Öffentlichkeit trägt,
sollte aus informationsethischen Gründen die Autorenschaft offenlegen;
Selbstdarstellungen in der Wikipedia sind praktisch Schleichwerbung).

>Das ist tatsächlich irre schwer! 1. setzt Du damit ein relativ großes  
>Reflexionsvermögen voraus (wer gibt schon gern vor sich selber zu, daß  
>er nicht neutral ist?), 2. hast Du ratzfatz die Diskussion „wieso sind  
>_die_ drin und nicht ich??“ und 3. wollen die Vereine, Firmen etc.  
>eben nicht „an konkret benannten anderen Orten“ stehen, sondern genau  
>da wo alle stehen: In der Wikipedia.

Nicht neutral sein und in besonderer Weise am Artikelgegenstand be-
teiligt zu sein sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Man kann
durchaus neutral und in besonderer Weise beteiligt sein (z.B. als 
Augenzeuge). Darüber hinaus bringt es wenig über die Fähigkeiten der
Menschen zu sinnieren. Im Moment mangelt es an Aufklärung, erst wenn
die in einem Zustand ist, an dem man nichts mehr zu verbessern weiss,
könnte man darüber philosophieren.

Was die Vereine, Firme, und so weiter wollen ist ebenfalls nebensäch-
lich. Man erliegt ja auch sonst nicht jeder Versuchung.

Dein zweiter Punkt jedoch ist ganz richtig, insbesondere aufgrund der
wachsenden Marktmacht der Wikipedia muss sie sich der Regulierung von
Aussen unterwerfen, in diesem Falle dem Gleichbehandlungsgrundsatz;
ebenso wie man in Artikeln verfälschende Auslassungen haben kann, ist
das auch projektweit möglich. Wenn es, um mal ein Beispiel aus der
Luft zu greifen, in Deutschland vier Schwertschmiede gibt, und drei da-
von in der Wikipedia stehen, wird man es schwer haben den vierten aus
der Wikipedia herauszuhalten (genaugenommen wird Wikipedia da dann zu
einem selbstbestätigendem System, der vierte ist "relevant" weil er
als einziger nicht in der Wikipedia steht).

Um derlei Argumenten entgegenzuwirken gibt es eine Dokumentation der
Relevanzkriterien und eine zurecht restriktive Auslegung derselben.
Aufgabe hier wäre es eigentlich ein Bewustsein dafür zu schaffen, dass
Dinge nicht unbedingt aus ihrem eigenen "merit" heraus in die Wikipe-
dia kommen, sonden aus einem Erfordernis heraus. Anfangen tut man mit
einem Artikel über "Deutschland", kommt aufs "Dritte Reich", "Kraft
durch Freude", und dann ist es nicht sehr sinnig Volkswagen nicht zu
thematisieren. Sprich, die Relevanz der Dinge ergibt sich vor allem
aus dem enzyklopädischen Gesamtzusammenhang. [1]

Bei Personen läuft diese Grunderkenntnis dann auf ganz andere Fragen
hinaus als sie in der typischen Löschdiskussion zu Tage treten. Wenn
ich überlegen würde, einen Artikel zu einer Person anzulegen, würde
ich mich viel eher fragen, steht sie ausreichend im öffentlichen
Interesse, dass sie dulden muss mit wahrscheinlich vollem Namen,
Geburtsdaten, Details aus der Kindheit, und so weiter, in der Wiki-
pedia zu stehen (das wäre ja die typische/gewünschte Entwicklung)?

Leider, wie schon gesagt, steht in den Relevanzkriterien kein Wort
über deren Sinn, und werden daher eben oft als unsinnig abgetan oder
falsch ausgelegt und angewendet. Da ist es dann kein Wunder, wenn man
Diskussionen über "der steht ja auch drin" auf niedrigem Niveau führen
muss.

[1] Und so wie der Gesamtzusammenhang wächst, tun sich immer mehr
    Felder auf. Heute gibt es einen Artikel zu "Hacker" mit einem
    Unterabschnitt "Hackerkultur". Wie der Artikel wächst, wird man
    sich eventuell überlegen, einen eigenen "Hackerkultur" Artikel
    anzulegen, und der wird dann vielleicht auf Besonderheiten der
    Kultur in Deutschland eingehen, und dann wird der Abschnitt dazu
    wohl Tschunk erwähnen; und es macht wenig Sinn im Artikel auf
    das Getränk näher einzugehen, also wird der Artikel dazu gege-
    benenfalls wiederauferstehen, weil sich das so aus dem Zusammen-
    hang ergibt. Und nicht nur von da, auch von "Club-Mate" aus und
    so weiter. "Blatt ohne tragenden Ast" wäre da neulich die sinn-
    vollere Löschbegründung gewesen als sonst irgendwas.
-- 
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