AW: [Wikide-l] Re: Fußnoten

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Do Apr 21 11:58:46 UTC 2005


Stefan Kühn wrote:

> Wikipedia ist kein gedrucktes Buch. In langen Artikeln würde ich es
> als sehr störend empfinden wegen jeder Fußnote erst bis an das 
> Seitenende springen zu müssen. Deshalb finde ich, es muss im 
> Fließtext selber jeweils hinter dem Zitat die Quellenangabe kommen.

Die *Möglichkeit* überhaupt Fußnoten einzubauen ist etwas ganz anderes 
als deren Präsentation im Web-Browser, auf einer ausgedruckten Website 
(Funktion "Drucken") oder in einem WikiReader, und beides hat wieder gar 
nichts mit dem zu tun, was normativ als Fußnoten-Inhalt zugelassen wird 
(Kurts "Fußnoten"-Policy).

ad 1: Möglichkeit für Fußnoten in MediaWiki.

Grundsätzlich begrüßen wir diese Möglichkeit ausnahmslos, glaube ich. 
Während Fußnoten in allgemeinen Enzyklopädien unüblich sind gehören sie 
bei solchen mit wissenschaftlichem Anspruch zum Usus; mit der 
Möglichkeit von Fußnoten eröffnen wir uns also die formalen 
Voraussetzungen zur Dokumentation eines weiter reichenden Anspruches, 
insbesondere in Hinblick auf größtmögliche Transparenz der Aussagen in 
der Wikipedia.


ad 2: Präsentation von Fußnoten.

Zu bedenken ist dabei, dass die Inhalte der WikiMedia-Projekte bereits 
heute nicht nur im Web-Browser präsentiert werden, sondern auch 
beispielsweise auf CD-/DVD-ROM oder PDAs; die ganze Langzeitplanung geht 
dahin, dass es irgendwann eine Printausgabe zumindest der 
englischsprachigen Wikipedia geben woll. Die Lösung muß also so flexibel 
sein, die verschiedenen relevanten Ausgabemedien sinnvoll zu 
berücksichtigen:

* Warum sollte es in den Benutzer-Präferenzen nicht möglich sein, selbst 
im Web-Interface die Darstellung von Fußnoten komplett zu unterbinden?
* Fußnoten können sehr unterschiedlich dargestellt werden, 
beispielsweise in einer Marginalspalte neben dem Text oder als verlinkte 
Referenz am Ende; ich denke, man sollte da noch einige konzeptionelle 
Arbeit machen mit Mockups machen, bevor die Funktion in den Regelbetrieb 
geht.
* Fußnoten sollten m.E. nicht essentiell notwenig für das 
Textverständnis sein, sondern eine Zusatzinformation liefern; man sollte 
den Artikeltext auch verstehen können, ohne die Fußnote einzusehen (das 
wäre ein Teil der "Fußnoten"-Policy, vgl. 3); dann spräche auch nichts 
dagegen, die Fußnoten eben am Ende einer Seite zu präsentieren oder eben 
ganz auszublenden.
* Denkbar wäre es, Fußnoten im Web-Interface direkt im Text 
"ausklappbar" zu machen (Fußnoten-Markierung anklicken und eine 
zusätzliche Textzeile klappt im Fließtext auf); das erfordert eine 
Skriptsprache wie JavaScript, was möglicherweise technisch nicht 
erwünscht ist; allerdings setzen auch andere Komfortfunktionen in 
MediaWiki JavaScript voraus (z.B. "Seiten mit Doppelklick bearbeiten", 
"Einzelne Absätze per Rechtsklick bearbeiten").

ad 3: "Fußnoten"-Policy.

Dieser Bereich sollte noch gut überdacht werden; Kurts pragmatischen 
Vorschlag, nur Quallenangaben in Fußnoten zuzulassen, halte ich für 
durchaus bedenkenswert. Es wäre dann sinnvoll, dies auch terminologisch 
zu verdeutlichen und beispielsweise von Quellennachweisen ({{lit:}}, 
{{src:}} oder {{fon}}) zu sprechen, um Unklarheiten vorzubeugen. Wir 
sollten uns dann schleunigst in der Diskussion von dem Begriff 
"Fußnoten" verabschieden und nur noch von "Quellennachweisen" sprechen; 
außerdem wäre ein sprachversionsübergreifender Konsens wünschenswert; es 
macht nur begrenzt Sinn, wenn die englische Wikipedia eine völlig andere 
Policy verfolgt, da wir ja auch zwischen den Sprachversionen mehr 
Kohäsion und Konsistenz anstreben (mal wieder K3 ;).

Als Diskussionsgrundlage schlage ich einen Blick vor in eine alte 
Enzyklopädie ([1], insbesondere Satzspiegel in [2]) und eine neue [3]), 
die beide mit Fußnoten bzw. Quellenangaben arbeiten. Man kann daran 
einige Anregungen ablesen:

* Während ich Bayles Lösung für absolut optimal halte, wäre die 
entsprechende Umsetzung in Software sehr kompliziert; MediaWiki bekäme 
dann plötzlich das Potenzial, selbst textkritische Ausgaben zu edieren 
(was Wikisource vielleicht begrüßen würde). Auch die Umsetzung in ein 
Print-Layout ist anspruchsvoll, wie man an der in dieser Hinsicht 
vollkommen mißratenen deutschen Ausgabe bei Meiner sieht: Ohne den 
aufwändigen Seitenspiegel funktioniert das DHC nicht vernünftig, es ist 
extrem mühselig, Rede und Gegenrede, Baistext und Einschübe, Quellen und 
  Quellenkommentare aus dem linearen Text der deutschen Ausgabe 
herauszufiltern.

* Die "Enzyklopädie der Neuzeit" trennt sauber zwischen "Literatur" 
("aktuelle Hinweise auf die Fachpublikationen zum Thema. Gleichzeitig 
dokumentiert sie die Forschungsgrundlage des Artikels") und "Quellen" 
("Fundamente der Forschung bleiben die Quellen"). Beide werden einfach 
durchnumeriert und am Artikelende aufgelistet; wie das im Print-Layout 
aussieht, kann man den Beispielartikeln entnehmen (Rohtext und 
Original-Layout unter [4]). Diese Lösung entspricht wohl ziemlich genau 
Kurts Vorschlag: Es gibt keine Fußnoten i.S. von inhaltlichen 
Ergänzungen oder Anmerkungen, sondern ausschließlich Quellennachweise.

MfG -asb


[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Dictionnaire_historique_et_critique
[2] 
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Pierre-Bayle_Dictionnaire-historique-et-critique_p2306.png
[3] http://www.enzyklopaedie-der-neuzeit.de/index.php?id=96
[4] http://www.enzyklopaedie-der-neuzeit.de/index.php?id=80