[Wikide-l] Abmahnung eines Administrators

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Mo Nov 8 18:12:33 UTC 2004


Hallo,

wieder mal eine Sammelantwort, um den Thread nicht weiter aufzublähen:

[ Übergreifend ]

 >> Ich denke, http://www.freedomforlinks.de/ ist da ein besserer
 >> Ansprechpartner, da sich diese mit der Materie um einiges
 >> laenger beschaeftigen.

Theoretisch ja, aber die Initiative "Freedom For Links" (FFL) gibt es 
nicht mehr: Der Verein ist aufgelöst. Meine erste Reaktion auf diese 
Feststellung war zu überlegen, ob man das Projekt nicht wiederbeleben 
könnte; nach einem Gespäch mit Frau Hering, der Begründerin von FFL, 
kenne ich einige Interna, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Klar 
wurde mir dabei jedenfalls, dass das Betreiben einer Initiative wie FFL 
die Existenz des Betreibers ruiniert, sobald sie funktioniert und der 
Betreiber daher in den Brennpunkt gerät.

Genau aus diesem Grund gibt es in Deutschland auch keine 
ernstzunehmenden (d.h. aktiven und öffentlichkeitswirksamen) 
Netzinitiativen à la FFL oder EFF: Einzelpersonen brechen unter der 
Belastung zusammen, und funktionsfähige Gruppen oder Kollektive bilden 
sich nicht, warum auch immer.

Ich könnte die Domain und die Marke FFL übrigens vielleicht für eine 
Wiederbelebung bekommen; Voraussetzung wäre jedoch ein gut 
funktionierendes Team von mindestens sechs Leuten, die die Last des 
Projektes gemeinsam tragen müssten (PR, Journalist, Rechtsanwalt, 
Webdesigner/ Programmerier, Steuerberater usw.). Allerdings ist dieses 
Team nicht in Sicht.


[ Meine Abmahnung ]

Florian schrieb:

>> sag mal hast du überhaupt schon daran gedacht, Prozesskostenhilfe zu
>> beantragen? Bzw. hat dich einer deiner grandiosen Anwälte darauf 
>> hingewiesen?

Keiner der beiden Anwälte hat das von sich aus angebracht, ich habe aber
zuletzt noch ein paar kleine Ergänzungen zu [[Armenrecht]] und
[[Prozesskostenhilfe]] eingetragen und dazu selbst etwas recherchiert.

Der Fall wird beim jeweiligen Gericht einer Vorprüfung unterzogen; hat
das Verfahren Aussicht auf Erfolg, *kann* eine PkH bewilligt werden;
i.d.R. handelt es sich dann um einen Kredit; bei Verlust des Prozesses
musst Du die gegnerischen Anwaltskosten in jedem Falle selbst tragen.
Ausserdem muss PkH anscheinend bei dem jeweiligen Gerichtsstandort
beantragt werden, der bei UrhG-Geschichten vorher nicht bekannt ist
(vermutlich wäre es München).

Martin schrieb:

 >> Vermutlich [...] musst Du Dein Problem so umformulieren, dass
 >> Lieschen Müller das Problem versteht [...]

Klar wäre es schön, wenn ich die Thematik so artikulieren könnte, dass 
es laienverständlich ist und gleichzeitig nicht unwahr wird ;) Das war 
ja m.E. auch das Erfolgrezept von FFL (s.o.): Da gab es einen PR-Profi, 
der die komplizierte Materie strukturiert und verdaubar aufbereitet hat.

Allerdings muss man das eben können; ein Beispiel für einen m.E. 
mißglückten Versuch der populistischen Aufbereitung ist 
http://www.rettet-das-internet.de/.


[ Konsequenzen für mich ]

Heute veröffentlichte die IFPI eine Pressemitteilung, dass die Kanzlei 
Waldorf einen "unbelehrbaren Urheberrechtsverletzer" erfolgreich 
verklagt habe; auch in diesem Fall ging es um die Verbreitung von 
angeblichen Umgehungsvorrichtungen, sonst gibt es einige Unterschiede 
(vgl. http://www.golem.de/0411/34585.html). Für mich bedeutet das jedoch 
trotz aller Unterschiede der Fälle, dass die Kanzlei Waldorf gezielt 
nach Verletzungen der Unterlassungsvereinbarung fahndet, um die 
Vertragsstrafe kassieren zu können. Das sähe also tatsächlich für mich 
nach einem K.O. in der Wikipedia aus :-(


[ Risikoabschätzung Wikipedia ]

Ivo schrieb:

 >> Ich denke an dieser Stelle wird es noch etwas komplizierter. Haftbar
 >> wäre jeder, der in der Lage ist den Link zu entfernen. Das können
 >> auch normale Nutzer. [...]
 >> Würde ein Gericht dieser Argumentation wirklich folgen, wäre unser
 >> Problem aber noch viel größer, als es jetzt aussieht. [...]

Genau das ist das Problem dieser Geschichte: Die Haftung für Hyperlinks 
durch die Argumentation mit der Schaffung von "Gefahrenquellen", der 
"Zueigenmachung" der Inhalte Dritter und der "Zugänglichmachung" als 
Verbreitung der angeblich illegalen Straftatbestände hat eine völlig 
groteske Reichweite. Leider hat die Amtsrichterin im Fall Alvar Freude 
genau diese Argumentation unterstützt und sogar noch verschärft: Für 
eine Zugänglichmachung bedarf es nicht einmal eines Hyperlinks, die 
bloße Nennung reicht aus.

MNfG -asb