[Wikide-l] Wikipedia vs. Enzyklopädie
Kurt Jansson
jansson at gmx.net
Fr Jun 4 17:39:46 UTC 2004
Ulrich Fuchs schrieb:
> Schlecht, da wir explizit mit dem Ziel angetreten sind, "Enzyklopädie" zu
> machen. Davon sollten wir nicht abrücken und anfangen, die Ansprüche zu
> verwässern...
Das nicht, aber es schadet sicher nicht von Zeit zu Zeit unvoreingenommen zu
überlegen, was hier eigentlich genau entsteht. Alle Beteiligten sind schließlich
der Meinung, an einer Enzyklopädie mitzuarbeiten.
Agnon schrieb:
> Das sich die Wikipedia überall annonciert als Enzyklopädie würde das das
> Problem nicht lösen. Drei Möglichkeiten gibt es:
> [...]
> (3) Diskrepanzen ignorieren, weitermachen wie bisher und sich irgendwann ganz
> fürchterlich ungerecht behandelt fühlen, wenn irgendjemand man öffentlich
> feststellt, dass "Wikipedia" und "Enzyklopädie" nichts miteinander zu tun
> haben.
Solche Kritik gab es von Anfang an, aber das spannende ist doch, dass die
allermeisten Leser und Autoren gar nicht auf die Idee kämen, dass es sich bei
Wikipedia nicht um eine Enzyklopädie handeln könnte. Jeder einzelne Autor
verwirklicht ein wenig seine eigene Vorstellung davon, wie eine ideale
Enzyklopädie aussehen sollte; Jetzt die platonische Ideenlehre hervorzukramen
und den Leuten zu erklären, das wahre Wesen einer Enzyklopädie wäre ein ganz
anderes, bringt uns kein Stück weiter.
Wir schreiben eine Enzyklopädie, auch wenn dabei häufig unterschiedliche
Vorstellungen von einer solchen aufeinander prallen. Vielleicht ist Wikipedia
die erste Enzyklopädie ohne dahinterstehende Ideologie; Vielleicht ist es die
erste postmoderne Enzyklopädie; Vielleicht ist es die erste Enzyklopädie einer
neuen Art, und man wird in 100 oder 1000 Jahren ein ganz anderes Wort dafür
finden - aber ist das in diesem Moment wichtig? Wir haben einen stabilen
Grundkonsens über die Grundpfeiler des Projekts (Enzyklopädie, neutraler
Standpunkt, Nachprüfbarkeit und GFDL), und diese haben sich in den letzten drei
Jahren als sehr tragfähig erwiesen.
Die ewigen Kleinkriege um die Einführung weiterer "ideologischer Bestandteile"
wird man nicht verhindern können, aber es ist mitlerweile zu spät selbige von
oben zu verordnen, ohne eine Spaltung des Projektes zu provozieren. Ob sie von
unten eingeführt werden können (begeleitet von einer lange andauernden
Abwanderung statt einer abrupten Spaltung) bezweifle ich stark, will es aber
auch nicht ausschließen.
Kurt
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