AW: AW: [Wikide-l] Re: Fotos vom AKW

Andreas Voß AndrsVoss at yahoo.de
Di Jun 1 00:43:21 UTC 2004


> > Das Bild des AKW, unterstellt es sei ein Werk der Baukunst, ist aber
nur
> > frei, wenn der Fotograf auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen
> > (nicht auf einer Leiter, nicht in einem anderen Gebäude, nicht auf
einem
> > Privatgrundstück etc.) gestanden hat.
> 
> Dem stimme ich fast voll zu. Denn "frei" ist das Werk nicht,
jedenfalls
> nicht
> "frei" im Sinne der GFDL. § 62 UrhG stellt klar, dass Änderungen nicht
> zulässig sind, wenn § 59 UrhG (Panoramafreiheit) zur Anwendung kam.

Richtig, die Panoramafreiheit berechtigt nicht dazu, bei der statthaften
Vervielfältigung des Werks dieses zu verändern. Nehmen als Beispiel für
ein unzweifelhaftes Werk der Baukunst, dessen Schöpfer noch keine 70
Jahre tot ist, das Hundertwasserhaus
(http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Wien_hundertwasserhaus.jpg) und
unterstellen (zur Geltung deutschen Rechts), es stände nicht in Wien,
sondern in Deutschland: Dann dürfen bei der Veröffentlichung des im Wege
der Panoramafreiheit erstellten Lichtbilds in Deutschland beispielsweise
nicht die farbigen Trapeze über den Fenstern retuschiert werden.

So weit, so klar. Jetzt beginnt die Diskussion in der de:WP aber
üblicherweise erst und die GNU-FDL hat ihren Auftritt. Weil diese
gestattet, das lizenzierte Werk (der Einfachheit halber "die Wikipedia")
zu verändern, dies aber für den Bestandteil "Bild des
Hundertwasserhauses" verboten ist, sei schon das Einstellen des Bildes
in die Wikipedia (nach der einen Meinung) ungesetzlich) bzw. (nach der
anderen Meinung) jedenfalls unredlich, weil etwas versprochen
("verkauft") werde, was man nicht halten (erfüllen) könne.

Beides trifft nicht zu. Die erste Ansicht irrt schon deshalb, weil die
durch die Panoramafreiheit gewährte Berechtigung nicht davon abhängt, ob
und ggf. in welcher Weise, wirksam oder unwirksam der Lichtbildner
Rechte an seinem Lichtbild einräumt oder nicht. Aber auch die andere
Ansicht kann nicht überzeugen. Sie verkennt das Wesen der Lizenz. Der
Lizenzgeber (der Fotograf) überträgt beim Urheberrecht dem Lizenznehmer
(jedem Dritten) auch bei der GNU-FDL - wie bei jeder anderen
urheberrechtlichen Lizenz - keine Rechte und keine Teilrechte, sondern
verspricht dem Lizenznehmer lediglich, seine Verbietungsrechte aus dem
Urheberrecht nicht geltend zu machen (, wenn und soweit die Regeln der
Lizenz eingehalten werden.) Dieses Versprechen wird aber nicht
gebrochen, wenn die Erben von Hundertwasser gegen eine Veränderung des
Lichtbilds vorgehen, dass der Dritte, der Lizenznehmer, sich aus der
Wikipedia besorgt hat.

Alles andere beruht auf der, meines Erachtens kurzschlüssigen und
ideologiebehafteten Vorstellung von der freien Enzyklopädie. Denn "frei"
wird von den Verfechtern der Gegenansicht so verstanden, dass _jeder_
mit der Wikipedia _alles_ machen können dürfen muss. Da schießt aber
über den urheberrechtlichen Gegenstand weit hinaus. Auch der
Lizenznehmer der GNU-FDL muss wie jeder Lizenznehmer damit leben, dass
der Lizenzgeber - wie ich an dieser Stelle schon wiederholt geschrieben
habe - nicht mehr Rechte einräumen kann, als er selbst hat.

Gruß
Andrsvoss