[Wikide-l] Weg mit der Löschhölle!

Wolfgang Fluck wfluck at gmx.de
Sa Dez 12 19:23:13 UTC 2009


Seit einigen Jahren bin ich nicht mehr für die Wikipedia tätig. Es gibt
verschiedene Gründe, die mich dazu veranlaßt haben, meine Freizeit nicht
mehr in dieses einstmals faszinierende Projekt zu stecken. Ab und zu
schaue ich mal nach, ob sich vielleicht doch was zum Besseren verändert
hat, was bisher nicht wirklich der Fall ist. Aber wenigstens wird jetzt
mal über grundsätzliche Fragen diskutiert.

Ein Punkt ist das immer noch geradezu absurde Mißverhältnis zwischen QS
und Löschdiskussionen. Es scheint so einen Konsens zu geben, daß die QS
eine Art Privatprojekt von einem relativ kleinen Zirkel ist, in der
Löschhölle fühlt sich aber jeder berufen, zu jedem beliebigen Thema
seinen Senf dazu zu geben, je schärfer desto besser. Oft wird
argumentiert, "die QS" wäre nicht in der Lage, den einen oder anderen
Artikel, mangels Fachkenntnis, in fachlicher Hinsicht zu verbessern.
Wenn nun schon für simple Verbesserungen nach Fachleuten gerufen wird,
wie absurd ist es dann, ohne Expertenrat über die ultimative Frage des
Weiterbestehens eines Artikels zu entscheiden? Die ganzen
Relevanzkriterien sind doch nur der Versuch, Fachkenntnis durch einen
überbordenden Formalismus zu ersetzen, damit auch wirklich jeder zu
jedem Thema eine Löschdiskussion lostreten kann. Es zeigt sich in den
Bereichen, die in der Wikipedia noch einigermaßen funktionieren, daß man
auch ohne Relevanzkriterien auskommen kann, da sie gewissermaßen durch
die Fachwelt schon vorgegeben sind: Beispielsweise sind Lebewesen
"relevant", wenn sie von der Wissenschaft als eigene Art beschrieben sind.

Deshalb mein Vorschlag: Schafft diese Löschhölle komplett ab! Ein
Artikel, der im aktuellen Zustand nicht akzeptabel ist, gehört in die
QS, dort wird entschieden, ob er verbessert oder an ein entsprechendes
Portal überwiesen wird (oder beides), Löschen ist keine Option,
allenfalls Löschempfehlung bei Verdacht von mißbräuchlicher
Wikipedia-Nutzung (Werbung/Theoriefindung). Die Löschdiskussion findet
dann, wenn überhaupt, nur auf dem Fachportal statt. (Es bedarf wohl
keiner Diskussion, daß Klowandschmierereien und juristisch bedenkliche
Inhalte keine Sekunde länger als nötig bleiben dürfen.) Mag sein, daß
viele Portale mangels Mitarbeitern nicht wirklich "funktionieren" und
deshalb manches an Arbeit liegenbleibt, aber Artikeleinsteller in
entsprechenden Bereichen sind zumindest mal potentielle Mitarbeiter, die
es gilt, zu dem Portal zu lotsen. Und daß es durchaus möglich ist, mit
relativ geringem Aufwand einen unzulänglichen Artikel auf Vordermann zu
bringen, zeigt sich immer wieder, wenn bei Löschdiskussionen "wegen
gescheiterter QS" doch noch jemand Hand an den Artikel legt. Sollte es
dem betreffenden nicht peinlich sein, das nicht vorher schon getan zu
haben? Die QS ist kein geschlossener Privatzirkel!

Sicher, die zentrale Löschdiskussion hat ihren Unterhaltungswert, aber
für eine solche Arena mit ihren blutigen Gladiatorenkämpfen sollte das
Projekt Wikipedia eigentlich zu schade sein. Wem es wichtiger ist, daß
"unwichtige" Artikel verschwinden, als daß fachkundige Mitarbeiter bei
der Stange bleiben, darf sich nicht wundern, wenn das Projekt den
größten Teil seiner ursprünglichen Dynamik einbüßt. Das Argument, eine
Vielzahl von Artikeln erfordert einen entsprechenden "Pflegeaufwand"
kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es heißt doch immer, Wikipedia sei
kein Restaurantführer, Branchenverzeichnis, Vereinsregister, usw., wenn
es gilt, fragwürdige Artikel rauszuwerfen. Aber genau diese Aussage
entbindet Wikipedia ja auch von der Aktualitätspflicht. Wen kümmerts,
wenn bei einem Viertligaverein noch der Kader von vor drei Jahren
aufgeführt ist? In der Versionsgeschichte erkennt man, was wann
aktualisiert wurde, zudem sind solche Aktualisierungen noch eine relativ
einfache Übung für Gelegenheitsmitarbeiter. Und schließlich gibt es in
deutschen Wohnzimmern sicher auch noch Tausende von Lexika, in denen
Helmut Kohl immer noch Bundeskanzler ist und die deshalb nicht gleich
unbrauchbar sind.

Viele Grüße
Wolfgang