Am 23.07.2011 23:08, schrieb THURNER rupert:
2011/7/23 Hubert <hubert.laska(a)gmx.at>
apropos
aus den augen verlieren, eines muss m.e. schon deutlich gesagt
werden: mit dem *community budget* hat wikimedia.de und damit die
deutsche
wikimedia gemeinschaft wieder einmal gemacht, man
könnte fast sagen
geschaffen, was sie schon so oft *in vielen jahren ond so oft erfolgreich
gemacht haben.
manchesmal wundere ich mich, wie Leute plötzlich zu ticken anfangen,
wenn sie Wikipedia-Funktionäre werden oder waren. In diesem Fall Du.
Wikipedia findet in deren Denken dann nur noch innerhalb von Wikimedia
statt, irgendwann sind die Bereiche in eine Unschärfe gerückt, sodass
Wikimedia ganz plötzlich Wikipedia ist. Dass die Mehrzahl der Mitglieder
sich vorrangig als Wikipedianer begreifen und nur deshalb dem Verein
angehören, um dieses Konstrukt zu kontrollieren, ein Konstrukt welches
ausschließlich dafür gegründet wurde, eine für außen fassbare
Rechtspersönlichkeit zu sein, das ist dir inzwischen fremd geworden.
Dass der Verein und dessen Vorstand eine dienende Stellung hat, auf
Zeit, auch das sollte Dir - zumindest als Denkkonstruktion - nicht fremd
sein.
Die Wahrnehmung von Wikimedia in der Außenwelt ist gleich Null. Es ist
unsere Wahrnehmung, welche Wikimedia überhaupt existent erscheinen
lässt, und das auch nur in unserem kleinen Kreis. Fragt man alltägliche
Benutzer von Wikipedia, was sie von Wikimedia wissen, im besten Fall
hört man, dass dies wohl der zweite Name von Wikipedia ist, wenn sie das
Wort Wikimedia überhaupt je wahrgenommen haben.
lb hubertl, auch du bist nicht vom lob ausgenommen! das was ihr gerade im
wiki loves monuments bzw GLAM bereich in österreich macht verdient
hochachtung. eine spitze bemerkung musst du mir noch erlauben: nachdem
google vor einem jahr begonnen hat 400'000 bis 600'000 bände der
österreichischen nationalbibliothek in einem 6 jahres projekt zu
digitalisieren [1], ohne dass ihr in wien das bemerkt hättet bzw die OENB
auf andere wikimedia projekte wie wikibooks/wikisource etc hingewiesen
hättet, ist es aber auch höchste zeit geworden :)
lb Rupert, hier ist einiges zu unterscheiden, welches eine
Zusammenarbeit mit der ÖNB bislang nicht ermöglicht hat. Leider, muss
man sagen, aber sie werden irgendwann von selbst auf uns zukommen, da
bin ich mir sicher!
1. Der Wunsch nach einer Zusammenarbeit mit der ÖNB wurde bereits 2010
von Geiserich (damals noch im Wikimediavorstand) direkt in die ÖNB
hineingetragen, es ging - im Anschluss an die große Bilderspende in
Deutschland - vorrangig darum, auszuloten, ob es möglich wäre, dass eine
ähnliche Spende von der ÖNB an Wikpedia/Wikimedia Commons verwirklicht
werden könnte. Über den Erfolg und die Umstände gab es unterschiedliche
Interpretationen, die in Ö erst thematisiert wurden, als Mitglieder des
Vereins Antworten auf diese Aktion forderten. Als Antrag bei der GV von
WM-Österreich im Nov. 2010: Die offizielle Erklärung - als Antwort auf
diesen Antrag - war, dass Wikimedia, nach Vorarbeit von Geiserich77 dann
vertreten durch den Obmann Kurt Kulac sich der Sache angenommen hat,
jedoch dies von der ÖNB gleich abgelehnt wurde, weil sie entweder gar
nichts spenden wollte oder nur in Auflösungen von Briefmarkenformat.
Die inoffizielle Erklärung sieht etwas anders aus, angeblich soll sich
Kurt Kulac bei weitem nicht so bemüht haben, wie er es dann in
Beantwortung der Anfrage dargestellt hat, und die Sache dann eher auf
sich hat beruhen lassen.
In beiden Fällen sei zur Österreichischen Nationalbibliothek und zu
Google.books zu sagen:
1. Die ÖNB verfügt über einen gigantischen Fundus an Fotografien, welche
sie massiv vermarkten. Das bedeutet zB, wenn man den Scan einer 100
Jahre alte Fotografie für die Erstellung eines A1-Plakats in einer
Auflage von 1000 Stück haben möchte, würden sie ca 600 Euro an
Lizenkosten verlangen. Das ist deren, aus meiner Sicht schamlose
Vorgehensweise mit lizenzfreien, österreichischen Kulturgütern, bezahlt
aus öffentlichen Mitteln. Sie weisen diese Werke alle noch mit Copyright
Österr. Nationalbibliothek aus. Als zutiefst der Idee offenen Contents
Verpflichter, ist das für mich schlichtweg eine Ohrfeige, hier sehe ich
aber das letzte Wort noch bei weitem nicht gesprochen.
2. Im Bemühen darum (Danke, Denis Barthel!), dass österreichische, oder
auch nichtösterreichische Wikipedianer einen Zugang zu den
elektronischen Beständen der ÖNB, aber auch zu anderen elektronischen
Archiven bekommen, hat Wikimedia Österreich auf Vorschlag von
Mitgliedern zugesagt, die Kosten der Mitgliedschaft zu WMAT mit den
Kosten einer Mitgliedschaft zur österr. Nationalbibliothek zu
verknüpfen. Das dahinterliegende Problem war, dass diese Mitgliedschaft
zwar im Internet beantragt werden kann, allerdings ist die Abholung
dieser Mitgliedskarte nur persönlich in Wien möglich. Das zu Zeiten,
welche es schlichtweg den meisten Österreichern verunmöglicht, Mitglied
der wohl bedeutendsten Bibliothek Österreichs zu werden. Es gab mehrere
schriftliche Anfragen an die ÖNB - so auch eine von mir - welche
schlichtweg abgelehnt wurden. Ich habe ausführlich ein Procedere
vorgeschlagen, dies über die Vereinsverwaltung zu machen, welche mit
fast absoluter Sicherheit einen Missbrauch ausgeschlossen hätte. Im
Gegensatz zu jetzt, da ich beliebig meine Mitgliedsnummer bei der ÖNB
weitergeben kann.
Meine Internetanmeldung wurde registriert, bei der Abholung der Karte
musste ich keinerlei Ausweis vorzeigen. Ich habe nur meine 10 Euro
hinterlassen. Das ist das tatsächliche Procedere der Nationalbank. Ich
hoffe, die ÖNB liest mit.
3. Die Google.books-Aktion hätte unsere Anfrage gar nicht berührt, uns
ging es ausschließlich um Fotos. Dass aber die ÖNB bereits seit deutlich
mehr als 10 Jahren mit - soweit ich weiß - zwei Buchscannerspenden von
der österreichischen Nationalbank ihre Bestände digitalisiert, das ist
in der allgemeinen Googlesterie untergegangen. Erst mit google sollen
plötzlich diese Werke öffentlich zugänglich werden? Das zur
Nationalbank, als Reaktion auf eine europaweite Forderung, Bestände
endlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
4. Allgemeine akademische Überheblichkeit:
Je bedeutsamer sich ein Institut als kryptisch-historischer Verwalter
einer Einrichtung sieht, umso überheblicher scheint mir deren
Einstellung zu Projekten wie Wikipedia. Wie, als ob sie sich durch die
Freigabe ihrer (zu einem großen Teil noch gar nicht erfassten Artefakte)
ein Wissensmonopol verlieren würden. Interessanterweise ist diese
Haltung hauptsächlich bei Nachlassverwaltern erkennbar, die Lehre bricht
hier teilweise schon gewaltig auf, wie man an den Reaktionen der
anwesenden Vertretern der Lehre beim Altertumskongress in Göttingen gut
erkennen konnte (wie mir und uns allgemein berichtet wurde). Gerade vor
einer Woche - anläßlich des Zustandekommens der Kooperation mit dem
Bundesdenkmalamt - gab es von EINER einzelnen Person Vorbehalte gegen
die Qualität von Wikipedia, und diese Person gehört gar nicht zum BDA.
Es hat sich dann herausgestellt, dass mit einem einzigen Argument diese
Haltung als unbegründetes Nachplappern überholter Stereotype, die vor
einigen Jahren noch durchaus ihre Berechtigung hatten, aufgedeckt und
widerlegt werden konnte. Es gab keinen Widerspruch.
Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man durch die Herausgabe von
"Wissen", in die Lage versetzt, zu noch mehr Wissen als zuvor zu kommen,
dann werden auch diese Geisteshaltungen aufgebrochen werden. Denn durch
eine durchgehende Digitalisierung von Beständen sind diese Bestände noch
keineswegs aufgearbeitet, sondern bedürfen erst der Forschung - von wem
auch immer - um dieses "Wissen" allgemein verständlich und in seinen
notwendigen Zusammenhängen der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
Und diese Rolle der Allgemeinverfügbarkeitsbereitstellung (ooops) kann -
schon aus Kostengründen - nur von Leuten wie eben Wikipedianern
durchgeführt werden, was nicht heißt, dass das nur innerhalb von
Wikipedia passieren kann. Wäre aber nett, oder?
So, das zum Thema Österreichische Nationalbibliothek. Da bislang zu
diesen Vorgängen von Seiten des Vereins nichts veröffentlicht wurde, hat
es eben diesen langen Mails bedurft. Aber jetzt wissen es hoffentlich
alle. Nicht immer geht es so schön und erfolgreich wie mit dem
Bundesdenkmalamt.
Eines muss ich noch anmerken:
Es ist schon fast als Fügung zu bezeichnen, dass es in Österreich so gut
funktioniert - was das BDA begrifft. In Deutschland passiert zu einem
großen Teil noch das, was ich oben mit der ÖNB beschrieben habe. Ich
behaupte, die Probleme unserer Wikipediakollegen zB in Bayern, die
entsprechenden Daten NICHT zu bekommen, liegen weniger an der
bayerischen Sturheit, schon gar nicht an den bayerischen WP-Kollegen,
sondern daran, dass dieses Landesdenkmalamt sich dafür schämen, zu
zeigen, in welchem grauenvollen, nichtpräsentierbaren Zustand deren
Archivierung ist. In Hessen zeigt sich genau, wie dieser Zustand sich
darstellt (nur die Daten von 3 oder 4 Kreisen von 20 sind überhaupt
vorhanden). Aber diese Behörden haben den Mut dies zuzugeben und ihre
Situation transparent darzustellen. Die Kooperation, die Kilian Kluge
vorrangig mit Kollegen geschaffen hat, ist Teil der Erkenntnis dieser
Behörden, dass es vielleicht ohne Hilfe von Wikipedia als Helfer und
Zuträger gar nicht mehr geht, deren ureigensten Aufgaben schon aus
Mangel an Geld, umzusetzen.
Was wiederum meine These unterstützt, dass in wenigen Jahren ohne
Wikipedia im Bildungsbereich überhaupt nichts mehr gehen wird.
Entschuldigt meine lange Ausführung, aber ich denke, dass unsere
Probleme hier dieselben sind, wie überall. Wir Wikipedianer haben nur
den Vorteil, dass wir einerseits unter einer gemeinsamen Ideenglocke
arbeiten können, aber nicht müssen (sic!), die Behördenvertreter aber
immer noch geistig in ihrer geistigen Amtsstube aus dem 19. Jhdt. sitzen
und vor Bergen an Unbewältigtem stehen. Welches sie aber eigentlich
umsetzen müssten. Weil es eben ihre Aufgabe ist.
lb Grüsse an alle.
H.
das mit dem "dienen" kann ich aus historischer wiener sicht mit bezug auf
das "servus" durchaus nachvollziehen - für meinen teil ist es jedoch der
spass der mich zum mitmachen treibt. und natürlich weil ich alter egoist
gerne und oft in der wikipedia oder in den anderen wikimedia seiten
nachschlage - und ich es bevorzuge gute und richtige information zu finden.
[1] -
http://diepresse.com/home/techscience/internet/google/573948/Digitalisierun…
viele grüsse,
rupert.
--------------
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