[Wikide-l] Kritik an Bertelpedia: Mal 7 Hauptpunkte
Henriette Fiebig
henriette.fiebig at snafu.de
Mo Jul 7 10:34:47 UTC 2008
On 07.07.2008, at 11:43, Arne Klempert wrote:
> Ich weiß nicht, ob die Frage des Adressaten das eigentliche Problem
> ist. Bevor man sich einen Adressaten sucht, sollte doch zumindest mal
> die Kritik ausformuliert sein. Je konkreter und konstruktiver, desto
> besser. Ich persönlich zumindest habe immer noch keinen Durchblick, ob
> bzw. wo "die Community" denn nun genau das Problem sieht.
Lieber Arne,
wenn Dir das immer noch nicht klar ist, dann ist das wirklich ein
Armutszeugnis … Ich verfolge die Diskussion auch nicht bis in jeden
hinterletzten Winkel, aber selbst mir ist klar, daß es einige Punkte
gibt, die recht viele Leute geäußert haben:
1. Anbahnung der Zusammenarbeit im Vorfeld und Informationspolitik
des Vereins: Die Community wurde nicht befragt – das das bei der
Größe der Community ein Problem ist, ist sonnenklar. Man hätte aber
durchaus 10 aktive/verdiente/bekannte/ausgewürfelte/whatever
Wikipedianer auch mal mit ins Boot holen und befragen können, was sie
davon halten (Stichwort: Autorenbeirat). Sofort nach der Bekanntgabe
der Sache gab es haufenweise Nachfragen und die wurden nur zögerlich
beantwortet – man konnte sogar den Eindruck haben, daß Antworten von
Vereinsseite nur sehr unwillig kamen und nur aufgrund des massiven
Drucks durch einzelne Benutzer endlich gegeben wurden.
2. Vorbehalte gegen den Partner in der Zusammenarbeit: Brauche ich
nicht weiter erläutern, das hatten wir hier schon ad nauseam.
3. Inhalt und Umfang der Bertelpedia: Da steht Wikipedia drauf, aber
ist auch Wikipedia drin? Wenn sich WP nur über „Lemmata die gesucht
werden“ definiert, dann Ja. Wenn sich WP über „ausführlicher und
umfangreicher als jede andere Enzyklopädie“ definiert, dann eindeutig
Nein. Es sei denn, daß Bertelsmann irgendeinen Trick gefunden hat wie
man in 3 oder 5 gedruckten Zeilen die Textmenge von 3 oder 5 Din-A-4-
Seiten noch lesbar unterbringen kann.
4. Rückfluss von Korrekturen in die WP: Da sind sämtliche Fragen
offen. Das fängt an mit „wie stark wird überhaupt eingegriffen in den
Text“ (die mittlerweile berühmt-berüchtigten Sätze von Frau Varnhorn:
„Wir redigieren behutsam, verbessern und überprüfen und wir achten
ganz besonders auf sensible Stichworte und Einträge, von denen man
weiß, dass die Wikipedia hier Schwachstellen hat. Das sind vor allem
Einträge mit politischem Hintergrund. Falsche Angaben finden sich
v.a. dort, wo externe User ein ideologisches Interesse haben.“) und
endet mit „wie können wir erkennen, daß Bertelsmannleute hinterher in
den WP-Texten etwas ändern“.
5. Einhaltung der GFDL: Wenn Bertelsmann die WP-Texte auf 3 bis 5
Zeilen zusammenschnurren muß, wie werden dann die Hauptautoren
ermittelt? Oder fällt das ganz weg, weil der Lexikontext am Ende mit
dem ursprünglichen WP-Text sowieso nur noch das Lemma gemeinsam hat?
6. Pressearbeit: Da wurden im Namen der Community einige Aussagen
gemacht, die in dieser Form von der Community nicht geteilt werden
(z. B. man „fühle sich geschmeichelt“, daß der Konzern der WP in
dieser Form Anerkennung entgegenbringe). Die Pressearbeit war ganz
eindeutig darauf ausgerichtet den Deal in einem guten Licht
erscheinen zu lassen und so zu tun, als stünde die Community
geschlossen dahinter. Tatsächlich erfuhr die Community erst aus
diversen Presseveröffentlichungen was sie angeblich darüber denkt.
7. Hier auch zu sehen: Der ganze Deal ist komplett undurchsichtig.
Das sieht man schon an deinem schön politisch-ausweichend
formulierten: „Ich weiß nicht, ob die Frage des Adressaten das
eigentliche Problem ist. Bevor man sich einen Adressaten sucht,
sollte doch zumindest mal die Kritik ausformuliert sein.“ Kritik
richtet sich auch immer ein bisschen danach an wen man sie richtet,
vollkommen korrekt. Nur waren die Details des Deals selbst nach
Wochen auch nur schemenhaft bekannt. Und es ist ein riesengroßer
Unterschied, ob uns so eine Sache von der WMF quasi vor die Nase
gesetzt wird oder ob der deutsche Verein federführend alles
eingefädelt und gemanagt hat. Bei dem kann man nämlich davon
ausgehen, daß er das Wirken seines in der Öffentlichkeit nicht
unumstrittenen Gesprächspartners in Deutschland kennt, ohne
sprachliche Barrieren mit der Community kommunizieren kann und vor
allem auch den deutschen Buchmarkt und die deutsche Öffentlichkeit
einschätzen kann, wie die das Projekt aufnehmen werden. Offenbar hat
der Verein federführend in dieser Sache gewirkt und daher ist er als
Ansprechpartner durchaus zu Recht hier genannt. Ihr solltet nicht so
tun, als müsse man erstmal die Schwere und Tiefe der Kritik ausloten,
damit man sich danach einen Schuldigen suchen kann.
Gruß
Henriette