[Wikide-l] Der Bock als Gärtner

Michael Haufe 1seele at googlemail.com
Mo Nov 13 14:31:24 UTC 2006


Als ich 89 in den Westen kam, habe ich mich über die Pressefreiheit gefreut.
Ich war "Wild" sorry "Bild" Fan (viele Bilder sind doch wirklich Klasse und
sagen manchmal mehr, als ein langer Text - Bingo - das wird ein Eigentor),
weil die so schön die Sprache 'verbiegten' und außerdem galten sie als
konsequente Kommunistenhasser. Dann kam die neue Leserschaft aus dem Osten
hinzu - Bild wurde brav. Der Stil änderte sich leicht, um auch ein paar "ND"
Leser abzufassen. Wenn man genau hinschaut, versucht die B es jedem Leser
recht zu machen - nur sensible Intelektuelle kommen entweder schlecht weg
oder gar nicht vor. Wie auch immer - ich wohnte damals in Kreuzberg und
meine Freundin ging lieber auf der anderen Straßenseite, wenn ich mit der B
unterm Arm die Oranienstraße entlanglief. So ein rotz freches Blatt hat aber
auch viel für die Pressefreiheit gesorgt. Es gibt Gerüchte, daß die "taz"
von der B gesponsert wird, aus Mitleid mit den tapferen Journalisten!
Natürlich las ich auch viele andere Blätter - ich war newspaperphil. Dann
traf ich einen Mann, der sagte, er hätte seit 20 Jahren keine Zeitung
gelesen. Ich fragte entsetzt: "Warum?"  Er,  "Weil eigentlich immer das
Gleiche drinsteht." Ich schüttelte den Kopf. Schließlich kam ich auf die
Idee, meiner Oma zum Geburtstag ein paar Tageszeitungen von ihrem Geburtstag
(1923) herauszusuchen (Zeitungsarchiv der StaBi Berlin) - und in der Tat: Es
stand fast dasselbe drin, wie in der aktuellen Tagesausgabe!
Parlamentsdebatte soundso, Arbeitslosenzahlen, Feuilleton mit
Theaterkritiken zu den selben Stücken, Wetterbericht und natürlich Anzeigen.
Anzeigen sind es auch, die heute alle Zeitungen und Zeitschriften
finanzieren - weil Webungskosten als "Kosten" den erwirtschafteten Gewinn
minimieren - also am Ende weniger Steuern gezahlt werden müssen. Nun lese
ich seit Jahren kaum noch Zeitungen - ist doch eh zu mehr als 90%
Papierverschwendung. Wenn sich die zeitungslese Öffentlichkeit doch endlich
mit den wirklich wichtigen Themen beschäftigen würde, statt mit den
künstlich vorgekauten Debatten. (jedes Gesetz jeder Regierung nennt sich ja
heute 'Reform'), dann könnten irgendwann vielleicht tatsächliche Probleme
gelöst werden...:*

2006/11/13, Mathias Schindler <mathias.schindler at gmail.com>:
>
> On 11/13/06, Achim Raschka <achim_raschka at gmx.de> wrote:
>
>
> > Was du von den Zeitungen hältst ist aber immer noch zu trennen, was du
> von deren Lesern hältst - und vor allem von dem, was du über sie in einer
> öffentlichen Mailingliste artikulierst. Ich schreibe auch nicht, dass alle
> FAZ-Leser stinkende Spiesser sind, nur weil ich die Zeitung als konservativ
> empfinde.
>
> Was man von einem nicht näher einzugrenzenden Teil der BILD-Leser
> halten kann, sollte man sich lieber selbst anhören:
>
> http://wwwold.titanic-magazin.de/audio/tondokumente.php?TonID=1
> _______________________________________________
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