[Wikide-l] Herr Gauss & das Wiki (war: Re: Dünen , Kampf, und was das alles kostet)
Ulrich Fuchs
mail at ulrich-fuchs.de
Fr Jan 6 09:43:49 UTC 2006
Am Freitag, 6. Januar 2006 09:58 schrieb Markus Mueller:
> diverses...
Ich weiß, ich habe Dich bei dem "Wahnsinn"-Artikel ziemlich geärgert - und
einen Großteilteil der Kritik halte ich nach wie vor aufrecht (und
größtenteils sind diese Kritikpunkte Folge der von Dir kritisierten Situation
in der Wikipedia). Auch wenn Du also grantig auf mich sein solltest, möchte
ich nichts desto trotz mal Danke sagen für das Hochhalten der Qualitätsfahne
in der Wikipedia. Wenigstens einer, der ein bisschen klarsichtig ist.
Es ist nur leider vergebliche Liebesmüh: Gerade weil sich die Wikipedia
bereits auf die Mittelmäßigkeit (im Sinne Deiner Gaußschen Glockenkurve)
eingepegelt hat, kriegst Du sie vom Durchschnitt-produzierenden
JEKAMI-Gebastel nicht mehr weg: Weil die durchschnittliche Mehrheit sie eben
genau da haben will. Ich habe es schon tausendmal gesagt, ich sage es
nochmal: Die Inhalte in einem (offenen) Wiki und die Teilnehmer in einem Wiki
verstärken sich gegenseitig: Die Gaussche Verteilung der Inhalte (Themen,
Qualität etc.) und die Gaussche Verteilung der
Teilnehmer(fähigkeiten,wünsche, etc.) verschieben sich mit der Zeit
aufeinander zu und kommen irgendwann zur Deckung. Und ab dem Moment (der bei
der Wikipedia schon lange erreicht ist) kann sich das System nicht mehr aus
sich heraus reformieren und die Kurve bewusst verschieben.
Das einzige, was bildlich gesprochen die Wikipedia noch verändern könnte, wäre
eine virtuelle Revolution (oder der Einmarsch einer fremden Armee) mit
virtuellem Blutbad (und realem Ärger), bei der mindestens 40% der Inhalte an
die Wand gestellt und mindestens 40% der Teilnehmer ausgesperrt werden, und
so die Glockenkurve gewaltsam verschoben wird. Denn dass sich die Teilnehmer
selber aussperren oder sich die Inhalte von selber löschen, ist nicht zu
erwarten, und die Mehrheitsverteilung lässt nicht zu, dass die Gemeinschaft
von sich aus dies beschließt und durchführt.
Als guter Demokrat sollte man zwar entgegnen: Dann müsse man halt per Diskurs
die Mehrheitsmeinung verändern. Das Problem ist nur, dass ein Staatsvolk eine
relativ konstante Anzahl Personen darstellt. In der Wikipedia kommen aber
ständig neue Personen hinzu, die den bisherigen Diskurs nicht mitgekriegt
haben, sondern nur dessen Ergebnis in Form der Inhalte und bereits von
vorneherein entsprechend "eingeschworen" sind. Personen, die im Diskurs
überzeugt wurden, und genau deshalb nicht mehr mit den Inhalten klar kommen,
steigen irgendwann aus der Community aus. Insofern wage ich wirklich zu
bezweifeln, dass es möglich ist, in dieser Community eine Gesinnungsänderung
herbei zu führen. Vom Argument, dass "Mehrheit" und
"Wissenschaftlichkeit" (sprich: Enzyklopädie) nicht übereinstimmen, mal ganz
abgesehen.
Uli