[Wikide-l] Re: Wenn Anfänger Umfragen gestalten.

Jakob Voss jakob.voss at nichtich.de
So Dez 18 20:55:48 UTC 2005


Mathias Schindler schrieb:

> Vom "spektrum der Wissenschaft" (aka spektrumdirekt.de) gibt es eine
> "Umfrage" zur Wikipedia. Zinken, der Chefredakteur hat auch ein
> "Editorial" geschrieben:
> 
> http://www.umfragendienst.de/form/wikipedia

Was Wikipedia mit Basisdemokratie zu tun haben soll, ist mir 
schleierhaft. Aber vielleicht kann uns Ingo Frost mit seiner 
Abschlußarbeit über den Vergleich von Wikipedia und 
bürgergesellschaftlichem Engagement weiterhelfen.

> http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/796177
> 
> Ich weise auf die Leserbriefe hin, die es zum Editorial gab. Necro
> stimme ich zu.
> 
> http://www.wissenschaft-online.de/artikel/796366

Gut dass nicht zuerst ein 
Du-hast-meine-Wikipedia-beleidig-also-bist-du-doof-Troll darauf 
angesprochen ist. Ich kann Achim zwar zustimmen aber die die im 
Editorial auffindbaren Thesen können auch anders beantwortet werden:


These: Wenige Wikipedianer bestimmen, wo es lang geht.

Antwort: Das ist als [[Lotkas Law]] schon längst in der Wissenschaft 
bekannt und gilt nicht unerwartet auch in Wikipedia (ich hoffe meine 
Magisterarbeit, in der ich u.A. dieses Phänomen untersucht habe noch 
dieses Jahr online stellen zu können). Einige machen viel mehr als ganz 
viele Andere aber da bei Entscheidungen Sachargumente zählen und nicht 
die Anzahl der Edits und da es jedem freisteht, sich ebenfalls sich 
stärker zu beteiligen, ist das nicht problematisch sondern ein ganz 
natürliches Phänomen.


These: Anonymität ist schlecht.

Antwort: Anonymität kann unter gewissen Umständen dabei helfen, dass 
nicht der Status einer Person zählt, sondern deren Sachargumente. Für 
einen neutralen Standpunkt sind auch Beiträge von Personen wichtig, die 
lieber nicht für ihre Meinung an den Pranger gestellt werden wollen.


These: Ohne fehlende persönliche Verantwortlichkeit an Edits können zu 
leicht Unwahrheiten verbreitet werden.

Antwort: Dass Unwahrheiten verbreitet werden liegt ebenso an Medien und 
Personen, die Aussagen ungeprüft glauben. Über die Versionsgeschichte 
lassen sich einzelne Aussagen soger viel besser als in anderen Medien 
ihren einzelnen Autoren zuordnen. Anstatt Verleumder, Lügner und 
Autoren, die sich einfach mal irren, mit der Strafkeule zu drohen 
sollten eher gefordert werden, dass die Zuordnung deutlicher sichtbar 
gemacht werden kann (siehe z.B. [[Wikipedia:Hauptautoren]]) und dass 
Inhalte bewertet werden können. Wenn [[Benutzer:JakobVoss]] einen 
[[Richard_Zinken]], in dem Falschaussagen über diese Person verbreitet 
werden, als gut recherchiert bewertet, dann steht der Bewerter zu einem 
gewissen Teil dafür ein.


Die Forderung, Wikipedia zu beschränken, weil Falschaussagen eingestellt 
werden können, ist genauso unsinnig wie die Forderung dass das Reden 
beschränkt werden sollte, weil die Leute lügen könnten. Wikipedia ist 
halt nicht mehr die herkömmliche Enzyklopädie, die einem die Wahrheit 
mit dem Silberlöffel serviert. Im Zeitalter der Postmoderne so etwas zu 
erwarten ist aber auch reichlich Naiv.

Gruß,
Jakob

P.S: Alle meine Antworten sind natürlich keine Entschuldigung für 
Autoren, die schlechte Qualität in der Wikipedia liefern!