[Wikide-l] Frage zur URV-identifizierung und der GNU-FDL

Ferdinand Grassmann ferdinand at grassmann.info
Fr Feb 27 12:58:10 UTC 2004


Friday February 27 2004 11:54, Agon S. Buchholz wrote:

 >> ASB> Ich denke, ein ganz handhabbarer Ansatzpunkt ist: 2004 - 70 - 25 *
 >> ASB> 2004 - 70 Jahre: http://de.wikipedia.org/wiki/1934#Gestorben *
 >> ASB> plus 25 Jahre Verlagsschutz: 1934 - 25 = 1909
 >> Wieso ziehst du, gerade am Anfang, noch einmal 25 Jahre ab?
 ASB> Weil es wohl noch eine zusätzliche Schutzfrist für die
 ASB> Buchpublikation selbst gibt, in
 ASB> http://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrecht und UrhG Abschnitt 7 "Dauer
 ASB> des Urheberrechts"
 ASB> (http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/BJNR012730965BJNG001401
 ASB> 377.html) steht davon aber nichts, ist ja auch ein Leistungsschutz,
 ASB> ich habe dazu aber keine ausreichende Quelle.

Eben, es ist ein Leistungsschutzrecht, was mit dem Urheber überhaupt nichts
mehr zu tun hat. Allerdings: Wenn der Verlag ein Buch herausbringt - sagen
wir 1930 - und der Autor in diesem Jahr noch stirbt, erlöschen sämtliche
Rechte im Jahr 2000 - die Leistungsschutzrechte für diese Auflage noch
wesentlich früher als die Urheberrechte. Das Werk kann also frei verwendet
werden - auch in der konkreten Gestaltung.

 ASB> IANAL, ich kenne mich ein wenig in Medienrecht aus, aber viel zu
 ASB> wenig im UrhG, KUG, UWG usw. - vielleicht irre ich mich ja auch und
 ASB> wir können möglicherweise ausnahmslos alles verwerten, dessen Urheber
 ASB> 1934 oder früher gestorben ist.

Inhaltlich auf jeden Fall - also z. B. auch Bilder, Karten etc.

 ASB> Oder anders gefragt: Seit wann ist beispielsweise "Meyers
 ASB> Konversations-Lexikon"
 ASB> (http://susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/meyers/servlet/info)
 ASB> gemeinfrei? Ch. Aschoff schribt dort, dass er Nachschlagewerke
 ASB> verwerten kann, die bis etwa 1900 erschienen sind (+75 +25 =
 ASB> gemeinfrei ab 2000?). Diese Rechnung würde allerdings auch
 ASB> voraussetzen, dass die Autoren ziemlich rasch nach Veröffentlichung
 ASB> (1888-1889) ihres Lexikon verstorben sind ;)

Richtig, würde es. Werde bei Gelegenheit mal da oben nachlesen, was genau
dort steht. Es gibt im UrhR auch einige Übergangsbestimmungen - die
Schutzfristen waren noch nicht immer so lang...

 >> Urheberrechtsschutz dauert in Deutschland 70 Jahre - und zwar beginnt
 >> er nach dem Tod des Autors. Eventuelle Leistungsschutzrechte der
 >> Verlage sind für den Inhalt der Bücher unerheblich; sie betreffen nur
 >> die aktuelle Gestaltung.
 ASB> Darum geht es uns ja - ab wann können wir Bücher *vollständig*
 ASB> auswerten, nicht nur die Textbasis à la Projekt Gutenberg, sondern
 ASB> auch Karten, Illustrationen, Reproduktionen etc.

Solange du "Originalauflagen" hast, erlöschen Leistungsschutzrechte noch
vor dem Urheberrecht (vorausgesetzt, das Werk wurde zu Lebzeiten
veröffentlicht).

 ASB> In Par. 72 UrhG "Lichtbilder" steht übrigens zu Fotografien: "(3) Das
 ASB> Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des
 ASB> Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe
 ASB> früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der
 ASB>  Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht
 ASB> erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist.
 ASB> Die Frist ist nach  69 zu berechnen."

 ASB> Wenn ich das richtig verstehe, könnten wir also beispielsweise Fotos
 ASB> von Fotografen, die 1954 oder früher gestorben sind, nutzen -- wenn
 ASB> uns die Fotos im Original vorliegen.

Das stimmt so nicht: Par. 72 UrhG steht im Teil 2 des UrhG, "verwandte
Schutzrechte" - diese Norm bezieht sich also nur auf Lichtbilder, die nicht
die Werkqualität des Par. 2 II UrhG erreichen. Sobald die Fotografie aber
eine persönliche geistige Schöpfung ist, bist du nicht in der Frist aus 72
III, sondern wieder bei 64ff - also 70 Jahre pma. Das werden endgültig aber
nur Gerichte klären, wenn sie daraufhin "befragt" werden...

 ASB> Für den Normalfall, dass wir nur Zugang zu Reproduktionen in Buchform
 ASB> haben, würde -- so es sie denn gibt -- der erweiterte Leistungsschutz
 ASB> des Verlags für die Reproduktion von 25 Jahren hinzukommen (also
 ASB> Publikationen ab 1929).

Nicht "hinzukommen" - die Frist wird nicht verlängert. Der Verlag hat
vielmehr eine eigene Schutzfrist, die es ihm vorbehält, das Werk in dieser
Form zu vervielfältigen etc.

 ASB> Ausserdem möglicherweise interssant für uns ist auch der Par. 50 UrhG
 ASB> "Berichterstattung über Tagesereignisse": "Zur Berichterstattung über
 ASB> Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in
 ASB> Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen
 ASB> Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen,
 ASB> sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche
 ASB> Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar
 ASB> werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig."
 ASB> (http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/urhg/__50.html) Da gibt es
 ASB> aber m.W. auch zeitliche Einschränkungen, gerade da wir uns ja primär
 ASB> als Enzyklopädie mit explizit angestrebtem dauerhaften Bestand
 ASB> definieren.

Eben. Damit fällt das eigentlich grundsätzlich raus - über eine Woche kann
man sicherlich reden, aber danach ist sicherlich Schluss.

fg

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