[Wikide-l] Wikipedia und deutsches Recht
Agon S. Buchholz
asb at kefk.net
Mi Dez 1 19:14:22 UTC 2004
Matthias Walliczek wrote:
> Noch einmal: Genau soetwas hat Alvar Freude gemacht und ist deshalb
> verurteilt worden. Selbst wenn das Urteil möglicherweise noch nicht
> rechtskräftig ist - Fälle wie [[Benutzer:Asb]] zeigen, dass es
> praktisch leider doch gut funktioniert, einzelne Personen mit einer
> unklaren Basis anzugreifen.
Mal sehen, was die Berufung bei Alvar Freude bringt; der hat sein
FreedomFone ja auch nicht aus Spass an der Freude gemacht, sondern das
Ziel verfolgt, Mißstände in der deutschen Politik vorzuführen; damit hat
er auch einen Rechtsstreit wissentlich in Kauf genommen. Genauso muss es
m.E. die Wikipedia handhaben, und zwar eben so, dass es unmöglich wird,
einzelne Personen herauszugreifen. Jeder Wikipedia-Autor macht durch die
Bearbeitung eines Artikels die darin verlinkten Inhalte zugänglich und
kann dafür haftbar gemacht werden, sowohl straf- als auch zivilrechtlich.
Sobald jemand einen Artikel mit einem inkriminierbaren Hyperlink
editiert hat, macht er sich die Inhalte der verlinkten Website und der
darüber errichbaren Ressourcen zu Eigen, da er ja den Link trotz
Möglichkeit dazu nicht gelöscht hat. Genau das ist momentan der
rechtliche Status der Linkhaftung bei Publikationen im Internet, die
nicht dem besonderen Schrankenvorbhalt des Art. 5 GG für Presseorgane
unterliegen (BGH-Urteil "Schöner Wetten" ist daher nicht auf die
Wikipedia übertragbar).
Ebensowenig ist der Entscheid des LG München (Playboy-Fotos) auf
Wikipedia anwendbar, da es sich dort ausschließlich um automatisch
generierte Linklisten handelte, deren Eintragungen der Betreiber nicht
geprüft hat. Jeder Wikipedia-Autor übernimmt mit jeder Bearbeitung eines
Artikels also die volle Verantwortung für den gesamten Artikel, dessen
Billigung (einschließlich der Inhalte der verlinkten Websites) er mit
dem Abspeichern ausdrücklich erklärt. Wenn jemand in einen
inkriminierten Hyperlink in einen Artikel einbau und der Artikel danach
fünfmal bearbeitet wird, ist nicht nur der Linksetzer selbst
verantwortlich, sondern ebenso jeder, der den Artikel danach bearbeitet
hat (Zueigenmachung).
Lösen kann Wikipedia dieses Problem letztlich nur durch (a) massive
Selbstzensur, (b) aktives Eingreifen in einen vergleichbaren Fall, um
Rechtssicherheit zu erhalten oder (c) einen eigenen Rechtsstreit. Am
nähesten dran ist der Fall von Alvar Freude, die Wikipedia könnte hierzu
im eigenen Interesse Stellung beziehen. Dazu wäre es aber erforderlich,
von dem bisherigen Standpunkt politischer Inaktivität abzurücken.
MfG -asb