koethnig(a)informatik.hu-berlin.de wrote:
Am Mittwoch, 14. September 2005 11:17 schrieb
Katharina Bleuer:
Um den Bogen zum Diskussionsausgang wieder zu
kriegen: Im Grunde ist es
egal, wer bei welchem Ausdruck an wen denkt. Fakt ist, wenn man Frauen
ansprechen will, muss man sie direkt ansprechen.
Also Menschen mit solcher Denke und dem "Bitte sprich mich an, ich kann keine
eigene Initiative entwickeln"-Blick in den Augen halte ich schwerlich für
emanzipiert. Da hab ich dann aber auch wirklich keine Hemmung mehr dem ein
"Dann koch doch!" entgegenzusetzen. Ich glaube zwar, dass die meisten
Menschen von dieser Krankheit betroffen sind (ja, auch die meisten Männer),
aber solange Frauen im Vergleich zu Männern seltener davon nicht betroffen
sind, sehe ich für ihre weitere Emanzipation schwarz.
Wir sprechen hier über unbewusste Vorgänge. Vielleicht hast du ja
irgendwann in deinem Leben mal Leute geführt, dann kennst du die
Reaktion der Leute auf die Anweisung "jemand sollte bei Gelegenheit
mal...". Je präziser man die Leute anspricht, desto konkreter ist die
Reaktion. Es geht hier nicht um eine Prinzipienfrage, sondern um das
gewünschte Resultat und wie es erreicht werden kann. Je konkreter du
eine Person anschreibst, desto eher schaltet ihr Gehirn auf "das
betrifft mich", je allgemeiner du schreibst, desto eher schalten die
Gehirne auf "geht mich nichts an". Das ist eine Tatsache und mit
(sprach-)politischen Willenserklärungen wird sich diese nicht ändern.
Und noch was
zum Nachdenken: Ich habe gestern Maischberger geschaut.
Dort war von "der Bürger" und "der Wähler" die Rede. Diese Ausdrücke
sind geschlechtsneutral, oder? Es sind gleichzeitig Frauen und Männer
gemeint? Weshalb denn ist der besagte Wähler identisch mit "der kleine
Mann von der Strasse" und wieso muss besagter Bürger "Frau und Kinder
ernähren können"? Sorry, aber meiner bescheidenen Meinung nach sind da
keine Frauen drin, auch wenn die Grammatik der dt. Sprache und die
Herren im 19. Jh. steckengebliebenen Sprachpuristen noch tausendmal das
Gegenteil behaupten.
Vielleicht auch nur ne Ausrede, aber mit "der Bürger" und "der
Wähler" sind
nach meinem Empfinden immer "die Bürger" und "die Wähler" gemeint und
selbiges schließt bei mir auch Frauen mit ein. Genaus meint "der kleine Mann
von der Straße" bei mir eher "die ärmeren Menschen" und schließt nach
meinem
Empfinden gerade Frauen und Kinder mit ein, die häufiger davon betroffen sind
(insbesondere alleinstehende Mütter). Auch "Frau und Kinder ernähren können"
ist ein relativ geflügeltes Wort, was bei mir zumindest auch meine Mutter
gedanklich einschließt, die nämlich lange Mann und Kinder ernährt hat, was
aber auch ein ziemlich seltenes Modell und ebenso blöd wie das andere ist.
Für mich tansportieren diese "geflügelten Worte" ein antiquiertes
Weltbild, das den gesellschaftlichen Realitäten nicht entspricht. Und
ich würde den/die Kandidat(in) nicht wählen. Das ist dann keine
Prinzipienfrage, sondern einfach nur deshalb, weil ich nur raten kann,
ob Frauen nun mitgemeint sind oder nicht. Wer "Wählerinnen und Wähler"
sagt, meint beide. (ja, ja, jetzt kommt der Diskurs über Wahllügen u.ä.,
aber trotzdem).
Alles in allem sind das gute Beispiele für
Formulierungen, die man in der
Wikipedia nicht verwenden sollte (auch aus anderen Gründen), die zeigen, dass
man sprachlich sehr wohl geschlechtsneutraler formulieren kann, ohne es
gleich mit dem Binnen-I zu übertreiben.
Natürlich. Ich mag das Binnen-I auch nicht (das steht sogar in dem
Artikel, um den es hier ursprünglich ging :-) Es gibt jedoch zahlreiche
mehr oder weniger elegante Formulierungen, um auszudrücken, ob nur
Männer, nur Frauen oder Frauen und Männer gemeint sind.
Und ja, das *ist* wichtig. Denn z.B. die Aussage im Artikel [[Roger
Federer]] - "Am 6. Juli 2003 gewann er als erster Schweizer das Turnier
von Wimbledon" - ist schlicht und einfach falsch, wenn man vom
generischen Maskulinum ausgeht. Das ist ein Beispiel unter Tausenden...
persönlich mag ich ja all die historischen Kriegervölker, in denen die
Frauen ebenfalls Krieger waren. Es ist ganz einfach: Wer das generische
Maskulinum benutzt, *muss* das spezifische Maskulinum hervorheben,
ansonsten ist die Aussage falsch. Das wird aber nicht gemacht und das
ist der Hauptgrund, weshalb ich gegen den Mist ankämpfe. Bevor ich im
Artikel [[Priester]] mal aufräumte, waren katholische Priester männlich
und weiblich!
Die Beispiele zeigen auch, das Sprache nicht
kontextfrei ist und zum Kontext
gehören auch immer Hörer bzw. Leser die das Gesprochene oder Geschriebene
möglicherweiße anders auffassen als Sprecher bzw. Schreibender. Das bringt
mich dann wieder zur Frage, ob wir wirklich mehr Frauen in der Wikipedia
brauchen. Ich meine ja, denn unser viel (selbst-)gerühmter NPOV hängt
entscheidend von der Vielfalt der Autoren ab, die unterschiedliche Sichten
einbringen, solange bis alle mit den Formulierungen leben können (jedenfalls
ist das ja unsere Theorie). Derzeit beschränken wir uns dann nur auf die
Sicht der Männerwelt, aber daran können auch nur die Frauen was ändern. Die
Chance sich selbst zu emanzipieren geben wir ihnen in unserem Projekt mit
Sicherheit. Nutzen müssen sie diese aber selber!
Natürlich und doppel-ACK zum letzten Satz. Durch Dinge wie dem
[[Portal:Frauen]] wird sich das aber nicht ändern, weshalb wir damals
(sehr) aktiven Wikifrauen diese Idee vor langer Zeit schon, als sie das
erste Mal aufkam, abgelehnt hatten. Das Ziel sollte nicht sein,
innerhalb der WP separate "Frauenräume" zu schaffen, sondern die
"weibliche Perspektive" in die "normale WP" einzubringen. Sonst wird
der
grassierende Androzentrismus nur noch mehr verstärkt, nicht abgebaut.
Kat