Hiho,
Zunächst: Der Rückgang der Neuanmeldungen kann eigentlich nur, wie DerHexer anmerkt, mit Single User Login zusammenhängen, da auf allen Projekten dasselbe passiert: http://stats.wikimedia.org/EN/TablesWikipediansNew.htm. Ich denke das was man sieht ist eher eine statistische Bereinigung um internationale Accounts, die sich vorher für Interwikilinks oder Typokorrekturen oder Diskussionsbeiträge bei uns anmelden mussten.
Das bedeutet nicht, dass der Rückgang der bereits passiert ist und die Stagnation der Community nicht alarmierend genug wären.
Ich denke ebenfalls, dass die Community sehr stark in ihrem eigenen Saft schmort. Diskussionen zu Fragen wie: "Wo soll das Projekt hin?" oder anderen finden nicht so richtig statt. Wie Frank sagte: Wikipedianer sind eine Ingroup geworden. Wir kreisen extrem um uns selbst. Wir benutzen eine eigene Sprache, haben unsere eigenen Regeln und diskutieren Dinge, die fast nur Wikipedianer interessieren. Entscheidungsstrukturen sind weiterhin nahezu undurschaubar und Änderungen am Projekt nur noch unter sehr großem Aufwand machbar. Letzteres liegt natürlich auch an der basisdemokratischen Ausrichtung, aber vor allem an dem, was im Internet ganz selbstverständlich ist: Das Bestehende zieht Leute an, die damit zurecht kommen. Und das bedeutet im Umkehrschluss, wir ziehen nicht so total viel neue Leute an. Und ich fürchte, wir ziehen vor allem Fans an, egal ob das Eisenbahnfans, Fußballfans, Fans von Fernsehserien, von Ortschaften oder Bäumen sind. Die Leute haben hier eine Plattform, in der sie sich verwirklichen können und diese Plattform und diese Möglichkeit gilt es zu erhalten. Das ist etwas qualitativ anderes als "Wie machen wir die Wikipedia zur Besten Enzyklopädie, die es je gegeben hat und geben wird?". Eine Frage, die mich umtreibt :-)
Im Gegensatz dazu sind alle Versuche des Vereins bisher wie Wikipedia Academies, die Zedler-Medaille, Schreibschulungen, Seniorenprojekt, in Bezug auf das Ziel, neue fachlich gute Autoren zu gewinnen, auf fast ganzer Linie gescheitert sind und wir müssen uns fragen, warum? Bei Wissenschaftlern kenne ich denke ich die Gründe: Zu wenig Zeit, die mangelnde Klarnamensnennung mögen sie nicht und die Autorennennung in der Wikipedia ist nicht prominent genug. Im Gegensatz zu vielen anderen haben sie auch bereits Möglichkeiten, zu publizieren und dementsprechend ist der Drang, sich in der Wikipedia durch Beiträge zu verwirklichen, nicht gegeben. Hier ist es meiner Meinung nach notwendig, neue Formen der Mitarbeit für Wissenschaftler zu finden. Was ist beispielsweise mit Reviews? Man könnte den Autoren anbieten, ihre Artikel an die Akademie der Wissenschaften Mainz zu schicken.
Bei anderen Berufsgruppen sehe ich täglich weitere Gründe. Wikipedia ist nicht Newbiefreundlich. Vorlagen, Infoboxen, Regeln und auch die gesichteten Versionen bilden ein doch sehr komplexes Gebilde. Aber das größte Problem sind tatsächlich Wikipedianer. Einem neuen Benutzer wird, anstatt ihm bei seinem Artikel zu helfen, ein QS-Baustein reingepappt und erzählt, er möge doch Kategorien reinsetzen und wikifizieren. Anstatt dass das einfach direkt gemacht wird?! Danach kriegt er eine kryptische Begrüßungsvorlage (ich benutze Vorlage:Hallo, die ist noch moderat) und wird erstmal mit Lesematerial zugemüllt. Ich finde es wichtig, dass wir das machen. Aber ist das als erster Kontakt mit der WP eigentlich so toll? Wirklich toll wäre folgendes: Ich melde mich an und kriege dann erstmal eine Superkurzeinführung und der Server blendet mir direkt was auf meiner Diskussionsseite ein, gemeinsam mit einem Hinweis auf das Tutorial, der erst verschwindet, wenn ichs gemacht habe. Mit cookies sollte das ja alles kein Problem sein. Die gesichteten Versionen erlauben es übrigens recht gut, neue Benutzer zu finden. Man muss sie nur noch gut behandeln..
Nicht zu vergessen bei der ganzen Sache: Der Umgangston. Nicht nur, dass der weiterhin mies ist und Zivilcourage in der Wikipedia wirklich rar ist, jetzt ist auch noch die gängige Meinung, dass alles archiviert werden muss und jede Diskussion auf Stammtischniveau der Nachwelt der Wikipediaforscher erhalten bleiben muss. Dazu kommt noch: Die Konfliktlösungsmechanismen in der Wikipedia sind ein trauriger Scherz. Welcher Admin versteht, was eine "Diskussionsmoderation" ist? Und wer von denen ist in der Lage, dass selber durchzuführen?
Nichtsdestotrotz: Die Community lebt. Wir haben fast 6.000 Accounts, die die Sichterrechte haben. Das sind alles Accounts, die aufgrund von Edits im letzten Jahr automatisch oder auf Anfrage bei Admins die Rechte bekommen haben, also aktive Accounts. Tsor schrieb mir einmal (frei aus dem Gedächtnis wiedergegeben): "Von den Leuten, denen ich die Rechte gebe, kenne ich eigentlich keinen und die wenigsten haben ernsthaft außerhalb des Artikelnamensraums editiert." Anders gesagt: Während der enge Kern der Community um sich kreist und teilweise jahrelang dieselben Diskussionen und Streitigkeiten pflegt, schreiben tausend relativ unberührt davon die WP. Die deutschsprachige WP ist eben schon eine Kleinstadt und da kann man einfach leben ohne sich um den Rest zu kümmern.
Viele Grüße
Philipp