On 20.01.2009, at 20:51, P. Birken wrote:
Wo sind die Volkskundler, die Literatur- und Medienwissenschaftler?
Sie haben besseres zu tun als Artikel über Orte zu verfassen, für die sich außer den Einwohnern keiner interessiert.
Einspruch euer Ehren! :) Als jemand, der seit geraumer Zeit auf den Pfaden der Volkskunde (speziell: Redensarten) wandelt, kann ich Dir den Grund nennen:
Derlei Artikel haben allerhand Fallstricke deren dickster unsere wohlmeinenden aber unwissenden Adepten sind ;) Die legen nämlich gern Artikel zu etwas an, das „man doch weiß“ – was praktisch immer Murks ist. Dann LKs mit dem tollen Argument „ist doch interessant, behalten“. Irgendwer pfuscht noch ein bisschen ergoogeltes Zeugs dazu und … tadaaaaa … haben wir eine unausgegorene Artikelruine für die Ewigkeit.
Volkskundliches findet man primär in alten, obkuren und aus den 30er Jahren stammenden Quellen mit entsprechend nur schwer verdaulichem „völkischen“ Duktus: An die kommt man 1. schwer ran und 2. sucht man sich nach neuer und kritischer Literatur meist einen Wolf. Zudem sind die allermeisten Themen nur in abseitigen Aufsatzsammlungen oder Artikeln aus längst vergessenen Zeitschriften erschienen. Monographien sind Fehlanzeige und problemlos nachvollziehbare Quellenangaben auch. Um in so einem Thema einen wirklich anständigen Artikel schreiben zu können, muß man schon einiges an Recherchekünsten auf der Pfanne haben – mit Google kommste höchstens ein paar Zentimeter weit. Dafür aber landet man bei der Recherche vom Hölzchen nicht nur auf dem Stöckchen, sondern gleich in der Plantage ;) Ich habe vor zwei Wochen ganz harmlos mit Eiertänzen angefangen und bin binnen fünf Tagen bei der Symbolik der jesuitischen Embleme gelandet! (Frag mich nicht, womit ich mich momentan befasse, um diesen Artikel schreiben zu können ;))
Kurz gesagt: Auch in abseitigen Nischenthemen machen unsere Qualitätsansprüche es zunehmend schwerer etwas Ordentliches auf die Beine zu stellen. Wahrscheinlich schreiben einfach deshalb nicht mehr so viele Leute neue Artikel, weil alles leicht über Google zusammenstoppelbare schon geschrieben wurde ;) Und die Literaturwissenschaftler (wie praktisch alle Geisteswissenschaftler) leiden schlicht unter der Flut von Publikationen, die die Kollegen ausstoßen: Einig ist man sich auf dem Gebiet nie und unter 23 Quellen braucht man auch gar nicht erst anfangen sich Gedanken um einen Artikel zu machen.
Gruß
Henriette