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Liebe Vereinsmitglieder,
Zur Frage der möglichen Verschleppung der Besetzung des Geschäftsführerpostens.
Die Gerüchte hielt ich bislang – ich erlebte ein solches Verfahren ja als
Bewerber – für gar nicht unwahrscheinlich. Ein Bewerbungsverfahren, wie ich es
aus Uni-Kommissionen erlebte, war das von Wikimedia mir angebotene nicht. Es war
intransparent – und doch verblüffend informativ. Ich fragte mich, noch während
dieses Gespräch lief (mein Auswahlgespräch fand mit Sebastian telefonisch statt,
er schien schon vergessen gehabt zu haben, dass er es mit mir ausmachte und war
desinteressiert – ich machte den Rückzieher, nachdem er mir erklärte, dass der
Geschäftsführer in einer Art Konfrontation gegenüber dem Vorstand agieren müsse)
– ob dieses Gespräch mit anderen Mitgliedern der Bewerbungskommission ähnlich
verlaufen wäre. Es schien überhaupt keine Kommission zu geben. Ich beschloss am
Ende des Gesprächs, meinen Aufenthalt in München mit jener Woche zu beenden und
nach Berlin auf die Vorstandswahl zu fahren, um zu sehen, was genau dieser
Verein war. Das mag man nicht falsch verstehen – ich war Sebastian noch im
Gespräch dankbar für die Klarheit, mit der er sprach – keine normale
Bewerbungskommission hätte mich so über die Institution nachdenken lassen, bei
der ich mich bewarb.
Mein Gefühl bei der Vorstandswahl in Berlin war dann überaus verheerend (da gibt
es noch einen Mailinglist-Beitrag von damals). Die Mitglieder teilten sich in
solche, die wussten, worum es ging und bangten, ob ihre Kalküle aufgingen, und
andere, die auf die klare zu stellende Frage nicht kamen – Achim Raschka (wie
aus obigem Beitrag ersichtlich, ich sah damals nicht wer sprach) fand sie im
Verlauf. Man stimmte zwischen nichtssagenden Programmen ab und entschied, ob es
Kurt oder Sebastian sein sollte, ohne zu erfahren, warum. Die Frage war, warum
man sich für den einen oder anderen entscheiden solle. Sebastian sprach von
seiner Unzufriedenheit mit der amtierenden Führung, Kurt eher von einer Intrige
(ohne das Wort auszusprechen). Mein Gefühl war damals, dass das normale
Vereinsmitglied komplett desorientiert blieb, während die Wahl von Seilschaften
entschieden wurde, die intern ihre Unterstützer organisierten, ohne dass nach
außen drang, mit welchen Hoffnungen, und ohne dass dabei inhaltliche Fragen eine
größeren Rolle spielten.
Was den gesamten Vorstand anbetrifft, so ist es mein Gefühl, dass er sich aus
einer Gruppe von Freunden heraus entwickelte – die mir, soweit ich sie kenne,
alle sympathisch waren und noch immer sind (viele hatte ich bei der ersten
Wikipedia Academy 2006 kennengelernt – als überaus konstruktive Sammlung von
Leuten, die auf einfache Art in direkter Kommunikation gewaltige Dinge stemmt).
Die Kluft zwischen dem engen Kern der Gründer und der wachsenden Zahl der
Vereinsmitglieder war damit vorprogrammiert. Die neuen Mitglieder wurden zur
Öffentlichkeit. Der Vorstand sprach von sich regelmäßig als vom Verein und
adressiert die Vereinsmitglieder bis auf den Tag über öffentliche Kanäle wie
diese Mailingliste (auf der sich bislang am ehesten diskreditierte, wer sie
nutzte, statt Initiativen direkt an die Vorstandsmitglieder zu richten). 2008-09
war der Verein bereits unüberschaubar. Für den Vorstand war vor allem
interessant, wie groß der Verein ist – eine Zahl, mit der sich in der
Öffentlichkeit punkten lässt. Den Erneuerungsprozess verschlief man: Einen
Prozess, der so etwas wie Vereinsarbeit und Interaktion im Verein geschaffen
hätte, und das nicht auf Vorstandsinitiativen reduzierte. Der Aufbau von
internen Institutionen richtete sich nicht auf die Mitglieder, sondern die
Geschäftsstelle, die es zu professionalisieren galt. In diesem
Umstrukturierungsprozess kam es zu den bekannten Konflikten, mit denen die
Mitglieder wenig anfangen können, die jedoch für den alten Kreis der Gründer
essenziell sind.
Es ist klar, dass darüber nicht auf der letzten MV gesprochen wurde. Das kurz
auf Achims Frage, warum jetzt das alles aufkocht. Das zu kochen lag vor einem
Jahr nicht im Interesse von irgendjemandem, der zur Wahl stand und der hoffte,
die Wahl werde es in seinem Interesse entscheiden. Von uns anderen wusste
niemand mehr. Der alte Kern des Vorstands ist vor allem mit dem Projekt loyal –
das ist das Erbe der Freundschaften, aus denen sich der Vereinsvorstand
entwickelte. Nach außen - und außen sind da schon die normalen Mitglieder -
spricht man da nicht. Indes wird es in der Leitung eines weit größeren Vereins
weit mehr um ein sachorientiertes transparentes und funktionengebundenes Handeln
gehen, das den Verdacht der Mauscheleien vorbeugt und Klarheit nach Innen (innen
ist nun der Verein) und Außen (die Öffentlichkeit) schafft. Wie werden
vereinsinterne Zusammenarbeit benötigen, uns fragen müssen, was Mitglieder bei
uns eigentlich tun, außer: für den Verein sein, mit Stimmabgaben den Vorstand
bestätigen. Es muss dabei entschieden selbstverständlicher werden, dass
Vereinsmitglieder in Projekten zusammenarbeiten. Und freier sollten sie sich
fühlen, sich auf Positionen im Vorstand zu bewerben.
Im Moment ist jede Bewerbung auf die Vorstandsposten abschreckend. Niemand von
uns wagte es, sich auf die erste Position zu bewerben, und das trotz der
immensen Unzufriedenheit mit der vergangenen Amtsführung. Allenfalls Insider
können absehen, was im Vereinsvorstand auf sie zukommt. Im Moment sind wir
gerade so weit, dass aus dem Bewerberfeld sich Verschiedene zutrauen, das ganze
etwas aus der Nähe zu beobachten und im Notfall als Sand im Getriebe zu agieren,
falls Unregelmäßigkeiten geschehen.
Ich denke, dass eine Erneuerung der Spitze der beste Schritt wäre, das Vertrauen
im Vorstand und gegenüber den Mitgliedern wiederherzustellen – dass indes bei
der gegenwärtigen Form intransparenter Vereinsführung keine Chancen bestehen,
diese Erneuerung transparenter durchzuführen. Letztlich schreckt da prekärer
Weise jede(r) davor zurück, sich selbst auf die belastete Position zu bewerben.
(Mich eingeschlossen – ich sollte heute das Lesepensum schaffen, hier in der
Österreichischen Nationalbibliothek, statt über deren W-Lan zu verfolgen, wie
endlich etwas mehr Klartext gesprochen wird.)
Olaf Simons
man kann auch ein paar Dinge ansprechen, die im Verlauf vermutlich doch
geschehen müssen. Wir werden uns öffentlichen Verfahren der Überprüfung
insbesondere der Vereinsführung und Finanzen stellen müssen. Das Spendensiegel
(auch wenn's Geld kostet) wird von uns als Programmpunkt diskutiert werden
müssen. Sollte es da Zurückhaltung geben, da unsere gegenwärtigen Strukturen
eine solche Zertifizierung nicht zulassen, werden wir wohl an ihnen arbeiten
müssen – gerade das sollte der Vorteil unserer Organisationsstruktur mit
Geschäftsstelle sein.