Hi Jan!
[...] ich habe mich in dieser Frage bereits am 12.
Januar auf der Mitgliederliste klar
positioniert, indem ich auf den langen zeitlichen Vorlauf hingewiesen habe,
der vor Stellenbesetzungen generell notwendig ist.
Auf Nachfrage habe ich am 16. Januar zusätzlich erklärt, warum eine
Überbrückung mit Freelancern nicht (oder zumindest nicht in allen Fällen)
sinnvoll ist.
/Da ich diese Frage ja im Januar gestellt hatte und Deine Anwort
nicht
wirklich zufriedenstellend fand, hatte ich damals angefangen eine länger
Erwiderung zu formulieren, diese dann aber aus Zeitgründen nicht mehr
abgeschickt. Da das Thema jetzt wieder auf dem Tisch liegt, möchte ich
das hiermit nachholen:/
== Antwort auf Jans Mail vom 16. Januar ==
eine bestimmte (ab wann greift eigentlich das Adjektiv
"hoch"?) Mitarbeiterzahl ist aus meiner Sicht nicht per se schlecht, sondern hat
sich zu bemessen anhand der Relation von Zielen und Ergebnissen bzw. Aufwand und Ertrag.
Angesichts der Tatsache, dass wir uns meines Wissens von allen Wikimedia
Chaptern die mit Abstand größte Geschäftsstelle leisten und auch im
Vergleich zu ähnlich großen NGOs mit über 70 Mitarbeitern ziemlich üppig
ausgestattet sind, halte ich es durchaus gerechtfertigt von einer „hohen
Mitarbeiterzahl“ zu sprechen. Insbesondere da wir hier nicht über eine
Firma reden, deren Mitarbeiterzahl in direkten Zusammenhang zum
(wirtschaftlicher) Erfolg steht, sondern über die Geschäftsstelle eines
gemeinnützigen Vereins, dessen Ziel die Förderung von Freiwilligenarbeit
ist. Es ist daher nicht anmaßend immer wieder darauf hinzuweisen, dass
die Geschäftsstelle nur Mittel zum Zweck und nicht der Zweck selbst ist.
In diesem Sinne war die Kritik des FDC auffallend
inkonsistent.
Dass das FDC Wasser predigt, während das WMF Wein trinkt, ist (denke
ich) hier jedem genauso klar wie die Tatsache, dass die FDC-Empfehlung
(insbesondere in der Würdigung der Freiwilligen-Arbeit) alles andere als
fair war?! Nur halte ich die Tatsache, dass die WMF selbst mittlerweile
fast 250 Mitarbeiter beschäftigt (angesichts der Ereignisse des letzten
Jahres) eher für ein abschreckendes Beispiel als für ein Vorbild.
Denn wie kann ich einerseits ein bestimmtes Projekt in
den höchsten Tönen loben (Wikidata) und andererseits an der Tatsache vorbeigehen, dass
dessen nachweisbar guten Ergebnisse fast ausschließlich durch kreative Menschen zustande
gekommen sind?
Und genau deshalb finde ich es falsch, dass WikiData (entgegen der
ursprünglichen Pläne) budgetär wie eine normale Abteilung eines lokalen
Chapters behandelt wird.
Es kann doch nicht sein, dass hier die berechtigten Interessen eines
lokalen Chapter mit dem Ziel „die Erstellung, Sammlung und Verbreitung
Freier Inhalte in selbstloser Tätigkeit zu fördern“ und die Interessen
eines sinnvollen Softwareprojekts gegeneinander ausgespielt werden?!
Wenn die WMF aus eine globalen Sicht WikiData eine so enorme Bedeutung
beimisst, sollen sie bitte schön auch die Finanzierung dieses Projekts
sorgen!
Auch wenn der Jahresplan den Posten WikiData nicht einzeln ausweist,
kann man wohl davon ausgehen, dass er sich finanziell etwa in der
Größenordnung der aktuellen FDC-Zuteilung liegen dürfte?! Und das ist
ein Unding! Und zwar nicht, weil ich WikiData das Geld nicht gönne,
sondern weil das bedeutet, dass die übrige Chapter-Arbeit überhaupt
nicht vom FDC unterstützt wird, oder bei der Sache sogar noch drauflegt?!
Ich möchte daher dafür plädieren, WikiData endlich (wie es
ursprünglichgeplant war) in eine eigenständige Organisation
auszugliedern. Diese kann dann natürlich räumlich und auch personell mit
der WMDE-Geschäftsstelle verzahnt sein, sollte aber eigenständig
finanziert werden. Nur so kann mMn sicher gestellt werden, dass zwei
wichtige Projekte sich nicht gegenseitig kannibalisieren.
Im Hinblick auf unsere laufende Plandiskussion seit
Oktober werde ich das Gefühl nicht los, dass
manche Beobachter entweder mit einen Sachkosten-Fetisch oder mit einen
Human-Ressources-Fetisch auf einen Haushaltsplan blicken.
Es geht hier nicht um
irgendeinen Fetisch, sondern um die Tatsache, dass
wir nicht nur perspektivisch sondern ganz real mit sinkenden Einnahmen
konfrontiert sind und (von der WMF an der kurzen Leine gehalten)
keinerlei Rücklagen haben. Und damit muss jede Neueinstellung ganz
automatisch zu Lasten irgendeines anderen Postens gehen.
Du selbst hattest doch noch vor der FDC-Empfehlung geschrieben, dass die
Zeit des „unbeschränkten Wachstums“ vorbei sei. Das kann aber nicht nur
für die Sachmittel, sondern muss auch für die Personalkosten gelten!
So sinnvoll eine einzelne Anstellung für sich genommen sein mag, so
offen muss doch vorher darüber diskutiert werden, welche realen
Kürzungen sie an anderer Stelle zwangsweise mit sich bringt. Hier
einfach mal so weiter zu machen wie bisher und dann irgendwann
festzustellen, dass bestimmte Dinge nicht mehr realisiert werden können,
weil die Mittel schon langfristig in Personalkosten gebunden sind, halte
ich für unverantwortlich.
Wenn z.B. die weitere personelle Aufstockung der Softwareentwicklung
eine sinnvolle Option ist, dann muss klar kommuniziert werden, welche
anderen Dinge dafür zukünftig hinten runterfallen werden. Nur wenn diese
Fakten offen auf dem Tisch liegen kann von der MV eine fundierte
strategische Entscheidung treffen.
Unseren Bedarf nur mit Freelancern zu decken, kann
immer dann eine Möglichkeit sein, wenn es sich um klar umrissene, temporäre Arbeitspakete
oder punktuelle Expertise (Prozessbegleitung, Beratung etc.) handelt. Im Falle der
Software-Entwicklung suchen wir Leute mit spezifischen Skill-Sets und einer klaren, auch:
ideellen Open-Source-Orientierung. Diese sind auf dem IT-Markt nicht ganz so leicht zu
finden.
Da ist meine Erfahrung ehrlich gesagt eine andere.
Mit Freelancern meine ich übrigens keine Einzelselbständigen und
Kleinunternehmen, die auf Werkvertragsbasis irgendwelche losgelösten
Einzelprojekte abwickeln. Ich meine freie Mitarbeiter, die zeitbasierend
und vor Ort temporär die Entwickler-Teams unterstützen und dabei genauso
arbeiten, wie die Angestellten. Und das ist meiner Erfahrung nach in der
IT/Web-Branche ein durchaus etabliertes Beschäftigungsmodell (z.B. zum
Abpuffern von Auslastungsspitzen).
Sobald wir jemanden gefunden haben, arbeiten wir
bewusst mit (auch kurzen) Befristungen, bevor wir uns längerfristig binden. Insofern
können wir hier also ähnlich verfahren wie bislang.
Es geht mir nicht um kürzere
Befristungen. Diese halte ich den
Angestellten gegenüber übrigens nicht für sonderlich fair, weil sie das
schlechteste beider Welten vereinen: Keine Sicherheit und kein Gehalt,
das einem hilft, diese Unsicherheit auszugleichen.
Es geht mir um freie (= nicht festangestellte) Mitarbeiter, die
eigenverantwortlich wirtschaften, es gewöhnt sind nur für kurze Zeit für
einen Auftraggeber oder ein Projekt zu arbeiten, Latenzzeiten
einkalkulieren und dafür dann auch mit höheren Stundensätzen vergütet
werden. /Und glaub mir, ich weiß wovon ich spreche: Ich selbst arbeite
nämlich schon seit über 10 Jahren so./
Soweit // Martin