Lieber Pavel, danke für die Gedanken. Ich glaube, dass Thomas an einem
wichtigen Punkt vorbeigeht.
Der Vorstand kann weiterhin aus einer Person
bestehen, eine Doppelspitze werden oder ein Kollegialorgan. Jedes
der Modelle hat Vor- und Nachteile. Die Entscheidungen in der
Geschäftsstelle würden unterschiedlich getroffen werden. Bei mehreren
Personen müsste man auch überlegen, wie mit möglichen Konflikten umzugehen
sein würde.
Ein einköpfiger Vorstand kann beispielsweise am ehesten neutral sein, weil
er für alles letztverantwortlich ist. Mehrere Köpfe hingegen dürften sich
spezialisieren, allein schon der Wirtschaftlichkeit wegen. (Dann setzt
ein Vorstandsmitglied sich primär für "seine Leute" und "seine
Themen"
ein.) Das alles hat Folgen für die übrige Struktur der Organisation.
Die Gesamtstruktur muss daher mitberücksichtigt werden, wenn man über ein
Vorstandsmodell nachdenkt. Die Folgen für die Gesamtstruktur gehören
nämlich zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen der
unterschiedlichen Vorstandsmodelle.
Wenn also jemand auftritt und sagt, dass WMDE zum Beispiel eine
Doppelspitze haben soll, dann werde ich mir vorurteilsfrei die Argumente
dafür (und dagegen) anhören. Ich würde allerdings auch nachfragen, von
welchen möglichen Änderungen für die übrige Struktur auszugehen ist, und
was die Vor- und Nachteile wiederum wären.
Besten Gruß
Ziko
Am Montag, 8. Dezember 2014 schrieb Thomas Goldammer :
Aloha,
die Entscheidung, wieviele (und welche) Personen den neuen Vorstand bilden,
sollte nicht von der derzeitigen Struktur der Geschäftsstelle abhängen. Die
wird sich der neue Vorstand ja ohnehin so zurechtrücken, wie er es für am
sinnvollsten hält. Viel schlimmer als ein paar (auch größere) strukturelle
Veränderungen wäre es, wenn ein neuer Vorstand mit einer starren,
unflexiblen Struktur leben und seine Arbeit dann dieser Struktur anpassen
müsste. Das will wohl keiner.
Th.
Am 8. Dezember 2014 um 21:48 schrieb Pavel Richter <parichter(a)gmail.com
<javascript:;>>:
Hallo zusammen,
es gibt sicher jede Menge guter Argumente für und gegen eine
Doppelspitze,
und einige davon sind hier ja auch schon
diskutiert worden. Ich möchte
jedoch gerne etwas Hintergrund liefern zur konkreten Situation bei
Wikimedia Deutschland.
Der Verein ist thematisch enorm breit aufgestellt: Wir entwickeln
Software
und fördern Ehrenamtliche; wir arbeiten mit
Kulturinstitutionen zusammen
und sind in ein internationales Wikimedia-Netzwerk eingebunden; wir
fördern
Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und wir
führen jede Menge
Veranstaltungen durch; wir haben für einen Verein unserer Größe eine
enorme
Außenwirkungen in der Presse und Öffentlichkeit,
und wir sind die mit
Abstand größe Online-Fundraiser-Organisation in Deutschland.
Diese Breite hat mich dazu veranlasst, die Geschäftsstelle entsprechend
zu
strukturieren: Mit den Bereichs- und
Stabsstellenleitern habe ich bewusst
Menschen gesucht, die fachlich fundierte Kenntnisse in ihren Bereichen
haben. Ihre Aufgabe ist es, die strategischen Vorgaben des Jahresplans
durch geeignete Projekte und Maßnahmen umzusetzen, hierfür das richtige
Personal auszuwählen, und den Projektfortschritt zu überwachen. Neben der
fachlichen und personellen Leitung ihrer Bereiche sind alle Leiter in die
Gesamtleitung der Geschäftsstelle eingebunden. Alle wesentlichen
Entscheidungen der Geschäftsstelle werden gemeinsam besprochen. Am Ende
des
Tages ist es natürlich stets der Vorstand, der
die Verantwortung trägt,
und
daher auch das letzte Wort hat. Es kam aber in
den letzten Jahren häufig
vor, dass Maßnahmen umgesetzt wurden, die ich persönlich nicht für
zielführend hielt. Zustimmen und Verantworten konnte ich diese Maßnahmen
dennoch, da ich mich darauf verlassen konnte, dass die jeweiligen
Fachleute
(in diesem Fall: Bereichsleiter, die dann auch
noch unterstützt wurden
von
ihren eigenen Mitarbeitern, die sich ebenfalls
sehr gut in den
betreffenden
Themen auskennen) es einfach besser wissen als
ich.
Meine Aufgabe als Vorstand bestand daher darin, neben der Auswahl der
richtigen Mitarbeiter, sicherzustellen, dass die wichtigen Entscheidungen
richtig zustande gekommen sind. Wenn ich überzeugt war, dass eine
Entscheidung (etwa für ein Projekt) wohlbegründet, gut informiert und gut
geplant war, dann habe ich dieser in (fast) allen Fällen auch zugestimmt
-
auch wenn ich persönlich anders entschieden
hätte. Aber ich weiß halt
viel
weniger über Softwareentwicklung, Fundraising
oder Internationales etc.
als
die jeweiligen Leiter. Daher die Struktur der
Geschäftsstelle, wie sie
heute ist - fachlich hochkompetente und mit hoher Entscheidungsautonomie
ausgestattete Bereichsleiter und ein Vorstand, der sich um die
Gesamtkoordination, die Strukturen und Prozesse kümmert und die
Gesamtverantwortung trägt.
Das spricht nicht gegen eine Doppelspitze - aber es muß einem klar sein,
das bei einer Doppelspitze auch plötzlich Aufgaben und Kompetenzen
doppelt
besetzt sind: Ein "strategischer
Vorstand" mit starker inhaltlicher
Agenda
und Kompetenz verträgt sich nicht mit dem
derzeitigen Modell der
Bereichsleiter. Wenn die wesentlichen inhaltlichen Impulse und
Entscheidung
durch einen "strategischen Vorstand"
kommen, verändert sich die
Leitungsaufgabe der Bereichsleiter dahingehend, dass sie weniger
inhaltlich
und mehr administrativ / personell leiten. Das
ist ein gangbares Modell
(und es gibt viele Organisationen, die dies so tun), aber es entspricht
nicht der derzeitigen Struktur der Geschäftsstelle.
--
Mit freundlichen Grüßen,
Pavel Richter
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