Liebe Vereinsmitglieder, Interessierte, Vorstand
ich freue mich, in dass in den letzten Tagen so viel Aktivität auf der
Mailingliste entstanden ist; es wäre schön, wenn sich das auf einem
dauerhaft quantitativ und qualitativ hohen Niveau halten könnte und am
Ende noch in konkreten Vereinsaktivitäten und Resultaten münden würde.
Vielleicht hilft es ja, wenn ich einmal versuche, regelmäßig über
meine Arbeit für den Verein (und die von ihm geförderten Projekte) zu
berichten. Fairerweise dazu einige Einschränkungen etwas bluntig: Ich
kann derzeit nicht garantieren, dass im Rahmen meiner Arbeit
regelmäßig Zeit übrig bleibt, um solche Berichte zu schreiben. Und ich
werde kein Risiko eingehen, laufende vertrauensvolle Verhandlungen
durch das Posten auf einer öffentlichen Mailingliste zu gefährden,
falsche Hoffnungen zu wecken und Spekulationen in die Welt zu setzen.
Der Niedergang des Lexikonmarktes
Über die letzten 6 Monate verteilt gab es ein paar Erdbeben auf dem
Lexikonmarkt. So verkaufte die Bibliographische Institut &
F.A.Brockhaus AG die Textsubstanz aller lexikalischen Inhalte an
Wissenmedia (InmediaOne, Arvato, Bertelsmann). Das Bundeskartellamt
hat sich diesen Verkauf angesehen und kam am Ende zum Ergebnis, dass
der Markt so klein geworden ist, dass der Deal unter die
Bagatellgrenze fällt
(
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion09/B6-09-…).
Mit dem Verkauf der Nutzungsrechte musste dann auch
http://lexikon.meyers.de plattgemacht werden. Zur gleichen Zeit hat
die Firma Microsoft angekündigt, dass sowohl die Onlineausgabe der
Encarta-"Enzyklopädie" als auch die nur noch spärlich vermarkteten
DVD-Versionen eingestellt werden. Der Stecker wird im vierten Quartal
gezogen. In meinem Blog-Eintrag dazu war bereits angeklungen, dass aus
unserer Sicht eine freie Zukunft der Encarta (nach dem Wegfall der
kommerziellen Interessen durch Microsoft) naheliegend ist
(
http://blog.wikimedia.de/2009/03/30/von-kindern-und-revolutionen/).
Tatsächlich hatten wir auch ein paar Gespräche zu dem Thema, so
schnell wird aber daraus nichts werden. Die Fälle Brockhaus und
Encarta sind für meine Arbeit insofern hilfreich, weil sie sich
hervorragend eignen für den Unterschied zwischen frei und kostenlos
und die Vorteile im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit
frei lizenzierter Werke. Bei sich bietenden Gelegenheiten werde ich
versuchen, ob nicht doch ein paar der "aufgegebenen" Werke abfallen
werden. Das hängt auch ein wenig davon ab, ob Bertelsmann wirklich im
vollen Umfang die Substanzen von Brockhaus weiterführen wird, ohne
Betreuung verhalten sich Lexikoninhalte eher wie Milch denn wie
Wein...
Der Aufstieg der Normdaten
Nächste Woche werde ich am Donnerstag auf dem Bibliothekartag in
Erfurt einen kleinen Vortrag über den Einsatz von Normdaten in
Wikipedia halten. Schwerpunkt ist da die PND, die Personennamendatei,
die ja gerade bei der Contentbefreiung eine sehr wichtige Rolle spielt
(
http://www.bibliothekartag2009.de/programme2/view_symp_detail_short_abstrac…);sessionID=).
Wie Kurier-Leser ja wissen, ist inzwischen der Abgleich zwischen den
Personendaten des Bundesarchivs, der Deutschen Nationalbibliothek und
der Wikipedia abgeschlossen
(
http://toolserver.org/~apper/ba/statistik.php).
Wer den Spaß beim Abgleich mit den Personendaten mit dem Bundesarchiv
verpasst hat, findet unter
http://toolserver.org/~apper/fotothek ein
neues Betätigungsfeld.
Zwei Entwicklungen sind Wikipedia- (und aus ContentLib-)Sicht
interessant: VIAF und GND. VIAF sind Interwikilinks für Personendaten
(man möge mich für die Vereinfachung erschlagen), GND ist die
Gemeinsame Normdatei.
VIAF:
http://www.viaf.org/
GND:
http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/p_ag_gndgnf_20080516_v.pdf
hier ein kleiner netter Service, um sich einmal den Normdaten zu
nähern:
http://swb.bsz-bw.de/DB=2.104/?COOKIE=U998,Pbszgast,I17,B0728+,SY,NRecherch…
Auch ein netter, um sich einmal den SWD-Daten zu nähern:
http://melvil.d-nb.de/swd/975689061
Je schöner Wikipedia seine Daten pflegt und strukturiert, desto eher
können wir Wege zum Andocken finden und desto eher sind auch Wege
möglich, neue Inhalte freizueisen. Der Bibliothekartag wird darum auch
eine schöne Gelegenheit sein, um mit den dort Anwesenden darüber zu
sprechen, wie sich unsere und deren Metadaten verknüpfen lassen.
Aus diesem Grund finde ich die Einrichtung einer generischen
Vorlage:Normdaten sehr sehr hilfreich
(
http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Normdaten), auch im Hinblick
auf die Nutzung weiterer Quellen. Ich bemühe mich dazu auch um die
Freigabe von möglichst vielen bibliographischen Datenbanken, um ggf.
die Funktionen unserer ISBN-Verlinkung zu verbessern und daran
anknüpfend auch Anschluss an wunderbare Projekte wie OpenLibrary zu
finden. Wer sich dafür interessiert, findet unter
http://openlibrary.org/static/jsondump/ einen dump der open library
vom April.
Förderung von Open Source-Projekten durch die öffentliche Hand
Auf
http://www.zeit.de/online/2009/16/open-source-foerderung?page=all
gibt es einen Artikel von Meike Richter, deren Lektüre ich empfehlen
kann. Natürlich wäre es sehr schön, wenn die öffentliche Hand bei der
Forschungsförderung nicht nur proprietäre Dienste berücksichtigen
würde (ein besonders herausragendes Beispiel von "nette Technologie
ungenutzt":
http://edok01.tib.uni-hannover.de/edoks/e01fb05/48818584X.pdf),
sondern auch die Open Source-Landschaft. Ich war dazu neulich auf
einem Treffen, um die Teilnahme an solchen Projekten auszuloten. In
der übernächsten Woche werde ich noch einmal ein Gespräch zu einem
solchen Forschungsprojekt haben, ebenso ein Gespräch mit einem Laden
mit viel Content, der ein paar schöne Überleitungen aus Wikipedia und
in Wikipedia zurück böte.
Abwehr von Copyfraud-Versuchen
Hin und wieder schlagen Emails bei wm.de oder anderswo auf, in denen
sich beispielsweise ein Museum darüber beschwert, dass in Wikipedia
ein Bild eines mehrere hundert Jahre alten Kunstwerkes befindet. Es
folgen dann manchmal direkte oder indirekte Verweise auf "das"
Urheberrecht und die Aufforderung, die Bilder zu löschen. Mitunter ist
die Antwort eine Abwandlung von "geh weg" oder "geh sterben". Eine
mögliche Abwandlung dieser Abwandlung ist "macht doch das beste daraus
und gebt uns noch die anderen Bilder, die bei euch hängen und deren
Urheber schon lange tot sind, dazu die Metadaten, Bildbeschreibungen,
Signaturen und alle anderen Informationen, die einem Interessierten
helfen könnten und packt sie auf Wikimedia Commons". Ich werde nächste
Woche ein Vorgespräch mit einem Museum haben, um einmal genau diesen
Ansatz auszuprobieren. Worst case wäre, dass alles so bleibt wie
bisher.
Tausendfacher Dank für die Mithilfe
Im Schnitt gehen derzeit so etwa zwei bis drei Anfragen von mir pro
Woche an Bildarchive und Bilddatenbankbetreiber raus mit der Anfrage,
ob man denn nicht die Bilder für Wikimedia Commons freigeben will.
Hinzu kommen diverse Anfragen von Wikim/pedia-Autoren an Bildarchive
mit dem gleichen Ansatz. Zwei dieser erfolgreichen Rückmeldungen sind
schon etwas vorangetrieben worden, bei anderen stehen noch Telefonate
aus, manchmal kommt auch keine Antwort.
Soweit von mir fürs erste, ich habe ein paar kleinere Aspekte bestimmt
vergessen oder unterschlagen.
Sind solche "Berichte von der Front" hilfreich?
Mathias