Guten Abend, liebe Henriette,
danke für Deine interessanten und kundigen Einlassungen. Habe eine Menge dazugelernt.
KULTUR (so machte mir neulich jemand klar) kommt ursprünglich von KULT (also im Prinzip
von Verehrung). Da ist ja wohl z. Zt. nicht viel von übriggeblieben... Der Begriff ist so
kaugummiartig in die Breite gezogen worden, daß bei entsprechenden Interpretationsweisen
irgendwie alles darunter fallen könnte. Womöglich wollen die Anbieter von Kriegsspielzeug
(Ladenkette "WARHAMMER", gibt’s in Berlin im Souterrain des Europa-Centers,
gleich neben einem Waffenladen) ihr Zeugs auch darunter eingeordnet haben.
Worauf ich hinaus möchte ist: wir alle sollten uns aktivieren in Richtung Bewahren anstatt
Zerstören. Wir sind immerhin der drittgrößte Waffenexporteur, leider. Übrigens: auch in
Berlin gab es einem Schaden an Kulturgut durch Bau einer U-Bahn, welche keiner braucht
(die sogenannte Kanzler-Bahn). Es war das Brandenburger Tor, welches einen Riß bekam.
Wurde aber so vertuscht, daß es (fast) keiner mitbekam. Schnell kam ein Baugerüst darüber,
vollständig mit Werbeplanen bestückt. Darunter wurde dann eine "Renovierung"
betrieben.
************
Noch etwas anderes:
Könntest Du behilflich sein eine Autorin einzutragen? Sie schreibt spirituelle Bücher, ist
Heilpraktikerin, war auch Journalistin beim RIAS und SFB in Berlin. Etwa 10 Tsd. Bücher
von ihr sind verkauft worden. Sie ist also kein Neuling. Es ging um Bach-Blüten-Therapie,
Engel, Frauen-Spiritualität.
Danke nochmals für Deine Ausführungen und Deinen Einsatz.
Beste Grüße
Hans P. Deutsch
13465 Berlin
Fon: 030 - 89 222 11
Fax: 030 - 89 222 10
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: vereinde-l-bounces(a)lists.wikimedia.org
[mailto:vereinde-l-bounces@lists.wikimedia.org] Im Auftrag von Henriette Fiebig
Gesendet: Sonntag, 15. März 2009 09:28
An: Mailingliste des Wikimedia Deutschland e.V. / mailing list of the GermanWikimedia
association
Betreff: Re: [VereinDE-l] Einsturz des historische Archivs Köln - Reaktion von Wikimedia
On 14.03.2009, at 17:43, DaB. wrote:
Hallo,
Am Saturday 14 March 2009 02:21:52 schrieb Henriette Fiebig:
und ich kann tatsächlich nachvollziehen warum die
Archivare und
Handschriftenforscher so lang zögerlich waren mit den
Digitalisierungen.
alles Andere in deinem Post kann ich mehr oder weniger
nachvollziehen aber das
nicht. Die Originale wären durch das Digitalisieren ja nicht
schlechter
geworden - im Gegenteil.
Hi,
ich wollte das nicht länger ausführen, weil Mail sowieso schon
ungebührlich lang war ;) Aber ich schiebe das gern nach :)
Die Originale wären durch das Digitalisieren tatsächlich nicht
schlechter geworden (bei sachgemäßer Handhabung natürlich nur),
vollkommen korrekt! Allerdings muß man für eine vernünftige
Digitalisierung von solch' riesigen Beständen wie dem Archiv in Köln
supergrob aufgestellt folgendes bedenken:
1. einen Projektplan mit welchen Handschriften man beginnen will – wir
reden hier immerhin über ein paar Jahre Arbeit und natürlich würde
sofort die Frage aufkommen, warum Handschrift X im Jahr 2009 gescannt
werden soll und Akte Y bis 2012 der Gefahr ausgeliefert sein, zu
verbrennen/in einen Keller zu stürzen/von Mäusen zernagt zu werden
(und was dergleichen grauenvolle Dinge mehr drohen können). Das heißt
dann allerdings auch, daß die Archivare überhaupt erstmal eine Liste
oder ein Ranking erstellen müssen wie wertvoll/erhaltenswert etwas ist
und wie der Erhaltungszustand ist.
2. Geld – jeder weiß: Das ist das größte Problem, denn ein paar
Millionen Euro für eine U-Bahn versteht jeder Bürger (schließlich will
jeder täglich von Ort X nach Ort Y); ein paar Millionen für olles
Papier, daß sowieso nur von drei Eierköpfen aus der Forschung gelesen
werden kann und benutzt werden darf, das verstehen dann nur sieben
Eierköpfe ;) Ihr alle seht die Diskussion doch schon vor euch: Die
verläuft an der Frontlinie „Kinderspielplätze sind viel wichtiger“ bis
hin zu „Kommunalgebäude XY braucht neue Toiletten“. Personal braucht
man natürlich auch und so mau wie es in den entsprechenden
Studiengängen aussieht, wird man schnell ein Problem mit entsprechend
geschulten Leuten bekommen.
3. Speicherproblem bzw. Erhaltung der Digitalisate – Daten einmal
digitalisiert ist ja schön, nur muß man dann auch dafür sorgen, daß
die Daten auch in 500 Jahren noch lesbar sind. Das führt uns zu einem
Backup-Problem, denn man muß die Daten nicht nur regelmäßig
umkopieren, sondern auch dafür sorgen, daß immer die Technik (Hard-/
Software) am Start ist mit der die Daten lesbar sind. Da ist eine
mittelalterliche Handschrift übrigens ein perfektes Speichermedium:
Die kann ich auch nach 1000 Jahren noch lesen – mit einer Diskette von
vor 15 Jahren habe ich jetzt schon massive Probleme ;)
4. natürlicher Konservativismus von Archivaren/Bibliothekaren – geht
ungefähr so: „1000 Jahre hat die Original-Handschrift gereicht. Wieso
sollen wir jetzt Hopplahopp irgendwelchen verrückten Technik-Freaks
mit ihren Versprechungen der modernen Medien glauben?“
Vermutlich hätte für den Großteil der Forscher und
Laien das Digitalisat vollständig ausgereicht (und sei es nur zum
Vor-Sichten
bevor man zu den Orginalen reist um diese einzusehen).
Das hätte jede Menge Umweltschäden eingespart (weniger Reisen),
hätte den
Bücher gut getan (weniger angefasst)
Da wird Dir ein echter Hardcore-Bibliothekar mit Sicherheit antworten,
daß die Verfügbarkeit von digitalisierten Handschriften/Aktenstücken
nur die Begehrlichkeiten der Forscher und Laien erhöht und sie dann
die Bude voll haben mit Leuten, die das alle lesen wollen. Die
billigste und beste Konservierungsmethode ist immer noch die Nutzer
nicht an die Bücher zu lassen ;)
und vor allem häte man jetzt noch
wenigstens etwas wo das Orginal weg ist (es soll ja zum Glück noch
Mikrofilme
geben) statts nun Forscher in aller Welt anzufragen ob sie (schlechte)
Analogkopien haben.
Sehr richtig. Nur hilft eine Argumentation a la „hättet ihr mal schon
vor 10 Jahren …" in so einem Fall natürlich überhaupt nicht.
Letztendlich wird jetzt noch zwei Wochen das Geheule groß sein das die
Handschriften vernichtet sind und in drei Wochen wollen alle Geld für
einen Flughafen-Ausbau. Für Kultur und kulturgeschichtlich wertvolle
Dinge gibts kein Geld; das ist so. Es sei denn natürlich man kann
damit hinterher wieder Geld verdienen …
Ich vermute das Ganze war entweder wieder ein Fall von falschen
Besitzdenken
("wir haben diese seltenen Bücher, wenn sie sie haben wollen müssen
sie
herkommen"), Geldmacherei ("und x€ Gebühr bezahlen") oder falsche
Einsparung
("das Digitalisieren kostet aber x€, das sparen wir").
Das alles dürfte in den jeweiligen Vorstandsetagen auch eine Rolle
spielen, unbenommen. Das größte und umfassendste Problem aber dürfte
sein, daß es wenig bis kein Bewußtsein dafür gibt das auch ein olles
Stück Papier von 1325 ein wichtiges Stück unserer Kulturgeschichte
ist; und selbst wenn das nur 3 Leute auf der Welt zu schätzen und zu
lesen wissen, es wichtig ist, daß die jederzeit darüber verfügen können.
Auch das aktuelle Kölner Desaster wird daran nichts ändern: Ich las im
Stern und im Spiegel längere Berichte über das Ereignis und deren
Zielrichtung ist nur die Schuldigen herauszubekommen und irgendwem die
Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Da ist dann viel die Rede
davon, daß die U-Bahn X Millionen Euro teurer als geplant wurde, aber
keine Rede davon, warum die X Millionen besser in eine Digitalisierung
investiert worden wären.
Umso wichtiger ist daher die Lobbyarbeit von WM-DE: Ein Bewußtsein für
die Genialität des Gedankens zu schaffen, daß Wissen frei sein muß,
ist offenbar uns überlassen; Politik, Wirtschaft und Medien scheinen
das nicht hinzubekommen ;)
Wo du aber vollkommen recht hast ist das wir die Füße stillhalten
sollten. Wir
haben weder die Manpower, noch die Maschinen, die Mittel oder das
Wissen um
jetzt zu helfen.
S.o.: Wir können Lobbyarbeit machen und Bewußtsein schaffen. Im
konkreten Fall können wir nicht viel tun.
Viele Grüße
Henriette
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