Juergen Fenn <juergen.fenn(a)gmx.de> hat am 25. April 2012 um 12:07
geschrieben:
aber warum bist Du hier so pessimistisch? Warum meinst Du, könnte es auch
mit dem Hochschulprogramm nicht gelingen, hier etwas zu verbessern
Du hast Recht, Jürgen,
ich bin da etwas pessimistisch, vor allem, weil ich an Hochschulen
unterrichtete und gerade für drei Jahre freigestellt bin. Das Problem ist,
dass ich Studenten WP-Artikel schreiben ließ, und das war entsetzlich.
Einmal war deren Motivation prekär - sie wählten die Option freiwillig,
doch letztlich nicht als Wikipedianer. Es ging um meine Dozenten-Note,
nicht um den Artikel.
Was aber viel prekärer ist: Ich will, dass meine Studenten gezielte Fragen
stellen und beantworten. Ich will, dass sie dabei Stellung beziehen - nicht
als Privatleute, sondern (den Schritt machen nur 2 von 30) als zukünftige
Wissenschaftler: Mit dem Blick auf die Frage und deren Berechtigung, mit
dem Blick auf die Fachdebatte und mit dem Blick auf den Impuls, den sie als
Wissenschaftler der Debatte geben möchten - und bei alledem mit ihrem Blick
auf das Forschungsobjekt.
Die sehr gute Arbeit hat einen point of view, sie hat original research,
mit der sie bestehende Forschung schlägt -
Ganz ehrlich: wenn meine Studenten zum Schluss kommen, dass Wissenschaftler
Wikipedia-Artikel schreiben, dann sind die im Jahr 1670 angekommen, als man
noch dachte: Wissenschaftler sammeln alles Wissen und stellen es zu einer
Riesen-Enzyklopädie zusammen. (Ich sprach ja darüber vor der Einrichtung
der Zedler-Medaille, dass der Zedler wissenschaftsgeschichtlich ein
Rückschritt war, gegenüber Pierre Bayle, aber man wollte gerne was
Deutsches...)
Ich kämpfe als Dozent eher dagegen an, dass meine Studenten Wissenschaften
mit Wikipedia verwechseln. Wissenschaften sind riskant, man steht mit
seinem Namen für Veränderungen von Sichtweisen ein, man forscht, um
bestehende Thesen zu überwinden.
Ich verstehe, dass wir von Wikipedia aus, uns engagierte Studenten und
Promoventen als Autoren wünschen - aber mein Problem als jemand, der
Wissenschaftler ausbildet, liegt wo anders. Ich will Leute die Deabtten
erfassen und ihren Kopf dafür riskieren, diese Debatten weiterzubringen
darum sind die Wissenschaften so Autorenzentriert.
Hier liegen kulturelle Missverständnisse vor - und wenn Du mal als Dozent
40 oder 200 Studentenarbeiten gelesen hast, dann weißt Du wie Wikipedia den
Studenten einen seltsamen Wissenschaftsbegriff gibt. Ich bilde nicht
Studenten aus, die den Artikel [[Russische Literatur]] verbessern können -
ich
bin der Dozent, der das im Blick auf Fachliteratur tun könnte (Glück
gehabt, dass ich mein Slavistik-Studium nach zwei Jahren abbrach),
die Wissenschaften brauchen andere Spielwiesen und werden an Wikipedia
nebenbei arbeiten,
Gruß unter der Arbeit,
Olaf
Juergen Fenn <juergen.fenn(a)gmx.de> hat am 25. April 2012 um 12:07
geschrieben:
Am 25.04.2012 um 11:41 schrieb Olaf Simons:
>
> Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir nachdenken müssen, welche
Autoren
> wir für die Artikel brauchen, die bei uns
schlecht sind. Wir suchen
> interessanterweise genau diese Autoren nicht.
>
> Lest den schlechten WP-Artikel
>
http://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Literatur - und erklärt mir,
welches
unserer
Programme da den fehlenden Autor bringen soll. Unsere Programme
gehen gezielt an unseren Defiziten vorbei.
Deinen übrigen Argumenten stimme ich weitgehend zu, aber warum bist Du
hier so
pessimistisch? Warum meinst Du, könnte es auch mit dem
Hochschulprogramm nicht gelingen, hier etwas zu verbessern ("unsere
Programme", also alle)? Ich könnte mir schon vorstellen, hier mal eine
Gruppe Studenten dranzusetzen, die einen Überblick über die russische
Literaturgeschichte schreiben.
Viele Grüße,
Jürgen.
Dr. Olaf Simons
Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt
+49-3621-882309
+49-179-5196880
Postadresse Privat:
Dr. Olaf Simons
Hauptmarkt 15
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