Liebe Jutta Heidenreich,
du hast dir weitere Informationen zum Vergabeverfahren seitens der
Geschäftsstelle gewünscht, ich will der Bitte gerne nachkommen:
*Lagen denn auch andere Angebote für das Projekt vor,
und was sprach
gegen diese? Wie wurde kontrolliert, dass der Auftragnehmer
tatsächlich
nach objektiven Kriterien ausgewählt wurde und Hallo Welt keine bevorzugte
Behandlung genossen hat?*
Es lagen uns nach einer einmalig verlängerten Ausschreibungsphase
<https://wikimedia.de/wiki/Ausschreibungsreferenz:_IT_05_2014_Teahouse/Projekt_:_Teahouse-Teilentwicklung>
insgesamt vier Vergleichsangebote vor. Die Auswahl hat neben den
Hauptkategorien "Technisches Expertise und Know-how" und "kaufmännische
Betrachtungsweise" (Höhe und Umfang des Angebots) noch folgende Kriterien
beinhaltet:
* Erfolgswahrscheinlichkeit bei einer Beauftragung
* Verständnis für das MediaWiki Umfeld (Open Source Software Entwicklung)
* Bisherige Referenzen
* Risiko eines Projektabbruchs
* Passende zeitliche Verfügbarkeit und Projekt-Timeline (Bereits zur
WikiCon sollte ein Stand präsentiert werden)
Details sind in einem Vergleichssheet dokumentiert worden, das ich -
zusammen mit den vier Angeboten - sogleich an unsere Kassenprüfer
weiterleiten werde, damit hier vollständige Transparenz besteht.
Es wurden neben den Angeboten persönliche Follow-Ups via Telefon mit den
Dienstleistern wahrgenommen, um sich einen zusätzlichen Eindruck zu
verschaffen. Man sollte hier erwähnen, dass die zuständigen Mitarbeiter
Freelancer-Angebote mit einem höherem Risiko bewertet haben hinsichtlich
termingerechter Fertigstellung und Arbeitsweise (Code Review und
Hintergrundwissen zu MediaWiki, stundenbasierte Abrechnung statt
Projektfestpreis).
*Wer war bei der Entscheidungsfindung involviert? Nur
der zuständige
Mitarbeiter oder auch der Vorstand oder gar das Präsidium?*
* Drei Mitarbeitende im Team Communitys (Anforderung, Ausschreibung)
* Zwei Mitarbeitende im Bereich Software-Entwicklung (Sichtung der
Angebote, Analyse nach o.g. Kriterien)
* Vorstand (Nochmalige Durchsicht, Rückfragen und Abzeichnung)
*Wie wurde sichergestellt, dass Anja und Markus keinen
Einfluss auf die
Vergabe hatten?*
* Soweit mir bekannt (ich war damals nicht involviert, habe aber heute
einige Beteiligte in der Geschäftsstelle sprechen können) hatten wir zu
*keiner* Zeit Kontakt zu Anja oder Markus bzgl. des Projekts, sondern
lediglich zur Entwicklungsabteilung und Vertriebsleitung bei hallowelt, um
entsprechende Nachfragen zu stellen.
In der Summe komme ich zum Ergebnis, dass wir hier ein recht aufwändiges,
mehrstufiges Verfahren angewandt haben, um eine begründete Entscheidung zu
treffen und gleichzeitig den Vergaberichtlinien zu genügen. Im übrigen gibt
es bei WMDE für alle hauptamtlichen Mitarbeitenden mit Budgetverantwortung
eine Erklärung zu Interessenkonflikten
<https://wikimedia.de/wiki/Gesch%C3%A4ftsordnung#Interessenkonflikte>, die
bei Jobbeginn unterschrieben werden muss.
Gruß, Jan
Am 17. November 2014 11:18 schrieb Jutta Heidenreich <
juttaheidenreich(a)outlook.com>gt;:
Moin,
da habe ich ja was losgetreten. Erst einmal Danke an Sebastian für das
Versprechen, Details kurzfristig zu veröffentlichen. Und Danke an Richard
für die vielen Ausführungen und Erläuterungen um Hallo Welt. Ich finde es
vorbildhaft, wie innerhalb der Firma mit diesen Fragestellungen umgegangen
wird. Dass Anja und Marcus nicht an euren internen Diskussionen teilnehmen,
wenn es um Aufträge für Wikimedia geht, ist zwar einerseits eine moralische
Selbstverständlichkeit, andererseits aber, wie man aus vielen anderen
Unternehmen kennt, oft doch nicht üblich. Auch sonst freut es mich, dass
nicht nur ich Interesse an diesem Thema habe.
Um so unerfreulicher ist dennoch, dass meine Fragen weitestgehend
unbeantwortet blieben. Richard hat zwar dargelegt, wie bei ihnen, also
Hallo Welt, gearbeitet wird, wie das aber innerhalb von Wikimedia
Deutschland geschieht, weiß ich weiterhin nicht. Ich will meine Fragen hier
nicht wiederholen, hoffe aber, dass da zeitnah seitens des Präsidiums und
des Vorstands noch etwas kommt.
Grundsätzlich halte ich bei gemeinnützigen Organisationen personelle
Überschneidungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer für unangemessen.
Das gilt gerade dann, wenn die Überschneidungen auf höchster Ebene zwischen
Aufsichtsgremium auf der einen und Geschäftsführung auf der anderen Seite
existieren. Egal wie Strukturen oder Prozesse im Tagesgeschäft ausgebildet
werden, führen solche Konstellationen immer zu kritischen Fragen und (im
schlimmsten Fall) zu nur mit viel Aufwand abwehrbaren Unterstellungen, die
man doch eigentlich gar nicht braucht. Gemeinnützige Organisationen wie
Wikimedia leben von ihrer Reputation, von ihrem Vertrauen anderer darin,
dass sie nicht korrumpierbar sind. Das Verhältnis zwischen Wikimedia und
Hallo Welt mag im Tagesgeschäft harmlos sein, es ist aber mindestens
erklärungsbedürftig, was angesichts der knappen Ressource Aufmerksamkeit
aus Sicht der konstruktiven Öffentlichkeitsarbeit nur unnötig ablenkt.
Wenn Hallo Welt aber auch noch, wie Richard selbst schreibt, der "einzig
größere Anbieter für Wikimedia-Dienstleistungen außerhalb von Wikimedia
ist", dann sollte es solche institutionellen Beziehungen zwischen Wikimedia
und Hallo Welt einfach nicht geben. Die Abhängigkeitsbeziehung, die dadurch
entsteht, ob gewollt oder nicht, kann für Wikimedia nur schlecht ausgehen.
Damit will ich weder Anja noch Marcus ihr ehrenamtliches Engagement im
Verein abspenstig machen - ganz im Gegenteil. Ich denke aber, dass der
Verein es solange vermeiden sollte Aufträge an Hallo Welt zu vergeben, wie
es diese personellen Überschneidungen gibt.
Nebenbei spielt auch noch etwas ganz anderes hier rein, was mir in den
E-Mails des vergangenen Wochenendes aufgefallen ist (ich bin leider erst
heute zum Lesen gekommen, Sorry für die Verspätung). Während Richards erst
Mail vom Freitag noch sehr offen und hilfreich war, fand ich seine späteren
Nachrichten zum Präsidium, zur Strategie, zu aktuellen Prozessen und zur
Rolle des Vorstands bzw. der Geschäftsstelle um so bemerkenswerter. Ich
habe es bisher noch in keinem Verein erlebt, in dem ich mich engagiert
habe, dass jemand, der in einem Auftragsverhältnis zu ihm steht, sich auf
diese Weise aktiv zu internen vereinspolitischen Themen äußert. Ich finde
das auch unanständig. Ich möchte nicht, dass in Vereinen, die ich mit
Spenden unterstütze, Dienstleister bzw. deren Geschäftsführer Auftrag und
Vereinsfragen miteinander vermengen und anscheinend nicht einmal bemerken,
welche Konflikte sie damit heraufbeschwören. Dabei zu fordern, dass das
Gremium, in dem man selbst mit zwei Vertretern einen enormen (potenziellen)
Einfluss hat, mehr Kompetenzen erhält, lässt mich dann auch völlig
sprachlos zurück. Mir fehlt da ein bisschen das Fingerspitzengefühl, das
angesichts der vorliegenden Situation dringend geboten wäre.
Ich bin der Meinung, dass sich Hallo Welt und deren Geschäftsführer
dringend entscheiden müssen, in welchem Verhältnis es zu Wikimedia aktiv
wird: entweder als Mitglied oder als Auftragnehmer. Beides gleichzeitig
geht nicht, wenn man den tadellosen Ruf des Vereins erhalten und jedwede
Vermutungen von Zielkonflikten im Keim ersticken möchte. Daneben muss es,
wie Stefanie Schönwälder (glaube ich, das war ihr Vorschlag - korrigiert
mich bitte) klare Regeln geben, die verlangen, dass sich das Präsidium mit
solchen Überschneidungen jedes Mal im Einzelfall jedes einzelnen Projekts
befasst und eine nachvollziehbare, veröffentlichte Entscheidung dazu fasst,
bevor es zur Projektvergabe kommt. Das gehört zum Mindestmaß an
Transparenz, das ich mir für Wikimedia wünsche.
Liebe Grüße,
Eure Jutta
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Jan Engelmann
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