Am 06.02.2013 16:59, schrieb Alice Wiegand:
Darf ich mich kurz einmischen?
Ich hatte die Chapter Association bislang nicht so verstanden, dass
sie sich ausdrücklich gegen die WMF positionieren wollte. Sicher kann
man das vermuten, aber warum sollte man das? Natürlich bildet eine
Vereinigung, die mit einer Stimme die komplexen Verhandlungen führen
möchte, in welcher Weise auch immer einen Gegenpart und es muss
Abwägungen gegen, ob dies zum Nutzen des Wikiversums ist oder eher
nicht. Dies in Hubertls Weise zu formulieren läge mir aber fern.
lb Alice, wenn man sich den Ursprung der CA-Idee anschaut, merkt man
genau, dass es darum gegangen ist, ein Gegengewicht zur Foundation - und
im damaligen Fall ging es auch um ein Gegengewicht zu Sue (ich erinnere
nur an die MV in Hannover im November 2011 mit der gleichzeitigen
Bildfilterdebatte), dazu auch noch die ziemlich heftigen Wortwechsel
zwischen Carbidfischer und Ting Chen, welche ja per Video dokumentiert
sind.
Gründe, ein Gegengewicht aufzubauen gab es mehrere, von der
Bildfilterfrage bis zur Frage des selbständigen Fundraisings. Hätte es
zu dieser Zeit diese Differenzen nicht gegeben, kein Mensch wäre auf die
Idee gekommen, hier eine CA einrichten zu wollen. Es waren ja auch die
Akteure, welche diese CA vorantrieben, die welche bereits ein Nest
hatten, und dieses Nest verteidigen wollten. Und natürlich auch
Positionen, welche man liebgewonnen hat und sie verteidigt.
Die Bildfilterabstimmung war eine der ganz wenigen Sachen, in der eine
wirklich große Zahl von Wikipedianern teilgenommen hat. Ich würde mir
wünschen, wenn ähnliches - ohne den Bildfilteraufhänger - als Abstimmung
stattfinden würde. In der Hoffnung mit einer ähnlichen Höhe an
Beteiligung.
Damit spreche ich auch die Gründe an, welche du durch die
Boardentscheidung (die halt meinetwegen keine Resolution aus rechtlichen
Gründen ist) selbst angeführt hast, warum das Board eher ablehnend der
CA gegenübersteht. Es ist irgendwie nicht lebendig die Geschichte, und
wird auch durch einen secretary general nicht lebendiger. Und wenn es
keinen Kommunikationsfluss von der Basis über die Chapter zur CA gibt,
dann wird sich dieser Generalsekretär halt selbst was zusammenreimen,
damit er seine Position rechtfertigt.
Auch wenn im Idealfall es zu einem Gleichschritt zw. Foundation und CA
kommt - fragt man sich halt, gibt es diesen Gleichschritt zwischen den
Mitgliedschaptern und in Folge natürlich auch die Grundfrage: "Ist die
Community aus den jeweiligen Chaptern überhaupt darin eingebunden?"
Wenn nicht, was sind die Gründe? Weils ihnen wurscht ist?
Natürlich gibts dann immer die gleichen Leute die mutig genug sind, hier
ihre Meinung darzulegen. Die schweigende Mehrheit ist welcher Meinung?
Das wissen wir nicht, das wurde auch nie ergründet. Wir wissen ja es
auch deswegen nicht, weil sich diese Mehrheit teilweise einer Befragung
überhaupt entzieht. Wenn man sich aber das Zustandekommen der Idee CA
anschaut, wird man feststellen, dass auf der Metadiskussion auch nur
eine kleine Gruppe von Leuten diese Dinge vorangetrieben haben. Im
Prinzip ohne Mandat, das haben sie sich aus dem Faktum hergeleiet, dass
es eben reicht, Chapter zu sein. Das ist nicht grundsätzlich falsch, es
sind aber im Gegenzug auch immer nur eine kleine Gruppe von Personen,
welche sich kritisch äußern.
Ich erlebe es ja gerade im CPB mit den ganzen Problemen die sich mit
Geld und deren Verteilung ergeben. Es geht immer um Geld. Auch im CA.
Und wer jeweils das Recht eingeräumt bekommt, es zu verteilen.
Ich sehe die aktuellen Probleme von Wikimedia nicht in den Strukturen
oder in fehlenden bzw. schlecht verwaltetem Geld. Das wäre durch
Kontrolle lösbar. Auch nicht in fehlender Kommunikation der Chapter mit
den WMF-Organen. Das was es strukturiert gibt, tut das, was eben
strukturierte Organisationen so tun. Alles, um die eigene Struktur zu
erklären, rechtfertigen und vor allem diese und auch sich als Teil
dieser Strukturen am Leben zu erhalten. Das einmal als
Negativdarstellung. Darin unterscheidet sich keine unserer Strukturen
von irgendwelchen anderen.
Die Probleme sind eher die, dass wir teilweisen einen Weg gehen, der
sich immer mehr von den Usern, eigentlich Autoren entfernt. User gibt es
ja immer mehr. Es wird zuwenig unternommen, den immer mehr gefrusteten
Autoren ein Umfeld zu schaffen, welches den Spaß an der Arbeit
erleichtert. Es wird gejammert, dass es immer weniger davon gibt. Aber
neue Wege zu gehen? Da sehe ich viel zu wenig - wenngleich ich von dem,
was in der GS in Berlin passiert, schon recht angetan bin. Ob das nur
deshalb möglich ist, weil eben Mittel in dieser Grössenordnung vorhanden
sind? Wahrscheinlich. Ist auch der Output entsprechend? Da habe ich
keinen Einblick. Das ist aber nicht das Thema hier.
Mein Eindruck war bisher, dass die Foundation sehr behutsam mit
Änderungen umgegangen ist, auch wenn manches schon sehr heftig rüberkam
(Bildfilter). Man muss sich alles aus mehreren Blickwinkeln anschauen,
bestimmt sind die Australier, Briten udn Franzosen sauer, dass sie vom
Geldtopf zT enorm abgeben mussten. Auch Wikimedia Österreich hatte
Erklärungsbedarf. Warum - das wurde nur sehr selektiv kommuniziert (UK).
Vom Rest kennt kaum einer die Gründe, die werden nicht veröffentlicht.
Gibraltar war halt nicht mehr zu verschweigen.
Es wird ja auch nichts preisgegeben von den Chaptern selbst, die
verbreiten ja ihre Sicht.
Eine CA ist selbstverständlich der Versuch eines Gegengewichts. Es ist
der Versuch eines Machtspiels. Ich, der ich über ein Jahrzehnt
gewerkschaftlich aktiv war, kann dem schon grundsätzlich viel abgewinnen
- auch wenn ich es in diesem Fall kritisch sehe - , aber weil ich aus
Erfahrung erkenne, wie stark es hier menschelt.
Wenn aber so getan wird, als ob es leichter wäre, wenn man mit einer
Stimme gegen die Foundation auftreten will (wobei diese "eine Stimme"
ein Kompromiss ist, denn wie will man die teilweise fundamentalen
kulturellen Unterschiede mit einer Stimme mitberücksichtigen) dann habe
ich große Zweifel, ob nicht die kleineren Chapter nur als Spielbälle
gebraucht werden um die eigene Kraft besser darzustellen. Wie kritisch
das ist sieht man auch daran, dass gerade mal die Hälfte aller
bestehenden Chapter sich dem Ganzen angeschlossen haben. Die
Vorherschaft der weißen Wikipedianer aus Europa und USA ist einfach zu
groß, da hilft es auch nicht, wenn jedes chapter gleichermaßen eine
Stimme hat. Die Voraussetzungen, sich in der CA zu beteiligen sind
schlichtweg nicht dieselben. Das wird erkannt.
Das sind meine Zweifel. Und ich muss aber auch ganz offen betonen, dass
ich die Foundation in der Form des Boards oder die Geschäftsführung in
keiner Weises als Widersacher sehe. Die Idee, die wir vertreten, die
global ist und die andere Mitspieler hat als alles andere bisher,
benötigt andere Lösungen, so wie ja wir selbst als Gesamtes bereits eine
andere Lösung darstellen mit unserem Projekt.
Thinking out of the box ist gefragt. Eine Gewerkschaft als Kopfgeburt
ist sicher nicht in dieser Kategorie.
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