Hallo Philipp,
Am 07.10.2010 20:03, schrieb P. Birken:
Aus Sicht der Foundation ist das absolut schlüssig.
Die Foundation
entwickelt sich eben in großer Geschwindigkeit in eine dramatisch
leistungsfähigere Organisation, die in der Lage ist, selbst Projekte
durchzuführen, Fundraising zu betreiben, etc. Das Machtvakuum, in das
Wikimedia Deutschland hinein gegründet wurde, verschwindet und die
Foundation füllt es mittlerweile aus, Rechte die WM-DE mal hatte, sind
nun nur noch bei der Foundation. Das ist natürlich und in der
Gesamtentwicklung sinnvoll und zu begrüßen.
Meiner Meinung nach ist diese
Darstellung aus der Sicht der Foundation
nicht richtig. Dabei müssen wir allerdings berücksichtigen, dass WMDE
aus historischen Gründen, wegen ihrer Reife und ihrer Vorreiterrolle
eine Sonderstellung unter den Chapters geniesst.
Aus der Sicht der Foundation möchten wir, dass die Chapter viel stärker
werden als sie heute sind. Dass die Chapters so werden wie WMDE, dass
sie in ihre Länder Fundraising betreiben und Projekte ausführen können,
und zwar in einem Umfang, das mehr ist als sie es heute tun, und das die
Foundation, selbst mit hunderten oder tausenden Mitarbeiter, nie in den
Ländern durchführen können.
Wie Du selbst weißt, die bisherige Verteilung der Spendengelder werden,
vor allem von den meisten westeuropäischen Chapters, als unfair
betrachtet, da ein erhebliches Teil der Gelder direkt an die Foundation
gehen, und die Chapters von diesen Gelder, die ja aus ihren Ländern
stammen, nichts abbekommen. Wie Delphine ausgeführt hatte, war das
selbst für Deutschland der Fall. Das war schon immer, und wahrscheinlich
auch zurecht, ein ständiger Streitpunkt zwischen den Chapters und der
Foundation.
Falls ich mich korrekt erinnere, hatte Sue Dir gegenüber vor zwei Jahren
auf Deinem Besuch in San Francisco zum ersten Mal geäußert, dass die
Foundation möchtet, dass die Chapters für das Fundraising in ihren
eigenen Ländern verantworten. Ich glaube, dass das das erste Mal war,
dass diese Idee jemals an einem Vertreter eines Chapters geäußert wurde.
Aus meiner Sicht kommt dadurch auf den Chapters eine größere Bedeutung
und auch Verantwortung zu.
Wie ich bereits oben erwähnt hat, WMDE hat unter den Chapters eine
Sonderstellung. WMDE organisieren heute schon sehr viele Projekte, die,
selbst die Chapters in ihren westeuropäischen Nachbarn nicht
organisieren können. Da wir nicht von heute auf Morgen allen Chapters
auf die gleiche Niveau heben können wie die WMDE (oder sogar darüber
hinaus), und da wir eine Angleichung aller Chapter anstreben, entsteht
wahrscheinlich deswegen aus Deine Sicht den Eindruck einer Beschneidung
der Chapters. Dies ist möglicherweise lokal aus WMDE gesehen teilweise
zutreffend (wobei ich mir konkret kein Beispiel dazu gefunden habe),
global gesehen aber definitiv nicht so.
Wie Delphines Rechnung eben zeigt, bekommt nach der neuen Model die
Foundation eigentlich weniger Geld als früher. Je schwächer die Chapters
in einem Land früher gestellt war, desto gravierender wird die Wirkung
dieser Umverteilung zugunsten des Chapters. Die Foundation geht dadurch
ein ziemliches Risiko ein. Die Abhängigkeit der Foundation in den
jeweiligen Ländern zu gutes Funktionieren der jeweiligen Chapter wird
größer. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, möchtet die
Foundation deswegen auch eine verstärkte Anforderung an Prozess- und
Finanzkontrolle an den Chapter stellen. Ich denke, dass dies notwendig
ist, und dass jeder dies nachvollziehen kann.
Natürlich hast Du nicht unrecht, wenn Du darauf hinweist, dass nach dem
früheren Modell das Teil des Geldes, das früher in gemeinsame Projekte
fließen, irgendwie doch von WMDE entschieden wurde, wofür sie ausgegeben
sind. Heute ist die Entscheidungsgewalt über diesem Teil des Geldes
gänzlich von WMDE entzogen. WMDE war aus der Sicht der Foundation auch
schon immer ein Vorbild in internationaler Zusammenarbeit, zum Beispiel
bei der Finanzierung des Toolservers, oder die Unterstützung der
Chaptersmeeting. Das heißt, wenn wir das Beispiel von Delphine nehmen.
Früher hat nominal WMDE für ihre eigene Verwendung weniger Geld, sie hat
aber das Sagen über einem größeren Topf, das zwar dediziert für
internationale Zusammenarbeit ausgegeben werden soll, aber dennoch
teilweise unter der Kontrolle von WMDE liegt. Heute hat das Anteil von
von WMDE direkt verwendetes Geld vergrößert, aber dafür ist das Topf für
die internationale Zusammenarbeit gänzlich weggefallen. Ich muss hier
nochmal wiederholend auf die Sonderstellung von WMDE hinweisen. Für sehr
viele andere Chapter heißt aber, dass sie früher ein sehr kleines
eigenes Einkommen hatten und ein ebenfalls recht kleines internationales
Topf. Für sie heißt heute, dass sie ein großes oder mittelgroßes eigenes
Einkommen und dafür kein internationales Topf mehr. Das heißt, aus der
Sicht der WMDE mag die Bilanz ambivalent erscheinen, aus der Sicht
vieler anderen Chapters aber eindeutig ein Gewinn.
Für die Foundation bedeutet dies eine weitere Gefahr, dass nämlich die
Chapters in nationalen Egoismus verfallen könnten. So nach dem Motto,
das ist mein Geld, und für die Rest der Welt soll die Foundation
kümmern, die hat ja ihr Teil abbekommen. Nach meinem jetzigen Eindruck,
die ich von den Chaptersvertreter erhalten habe, ist, dass zumindestens
im Moment diese Gefahr nicht besteht, weil die Gemeinnützigkeit und die
internationale Zusammenarbeit in unsere Bewegung so stark verwurzelt
ist. Längerfristig müssen wir natürlich dafür alle zusammenarbeiten und
dafür sorgen, dass die laterale Bindungen und Beziehungen zwischen den
Chapters noch weiter intensivieren und stärken, so dass sollte ein
Chapter in so einem nationalen Egoismus verfällt, sie kein Dominoeffekt
auslöst, und stattdessen international isoliert wird und dadurch nur
verlieren kann.
Liebe Grüße
--
Ting
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